Es ist verboten zu weinen.
Es ist verboten, auf die Uhr zu sehen und Fragen zu stellen, die mit warum anfangen.
Es ist Pflicht, die Sonntagskleider anzuziehen und die Stiefel und die Schuhe zu putzen, bis sie glänzen wie gelackt.
Es ist verboten, darüber nachzudenken, ob sie vielleicht doch verschont würden und die Koffer wieder auspacken könnten. Es ist verboten, Gott anzurufen.
Es ist Pflicht, Schach zu spielen und gewinnen zu wollen.
Es ist verboten, sich übermäßig anzuschauen, sich zu berühren oder sich zu küssen.
Vor allem ist es verboten, auf die Uhr zu sehen.
Es ist Pflicht, daran zu denken, dass in Amerika die Gesetze für alle gelten, dass sie ihren Präsidenten wählen und dass jeder eine Stimme hat.
Es ist Pflicht, sich vorzustellen, wie sie mit ihrem Picknickkorb zu einem der vielen Seen wandern, die in der Stadt New York liegen, und unter den herabhängenden Zweigen einer Weide den Sonntagnachmittag verbringen.
Insbesondere ist es verboten, an Geschwister, an Verwandte und Freunde zu denken, die sie zurücklassen, verboten auch zu glauben, man habe sie verraten und man müsse sich schuldig fühlen. Pflicht ist es vielmehr, sich zu sagen, dass es niemandem helfen würde, wenn sie blieben und mit ihnen totgeschlagen würden, wie es auch Pflicht ist, daran zu denken, dass in Amerika alle, auch die Kinder, Uhren tragen, und dass sie repariert werden müssen.
Gerd Fuchs beschreibt in „Die Auswanderer“ unter anderem die lange Reise des Uhrmachers Simon Kantor.