Gastbeitrag von Michael Buscher
2018 nahm ich für meinen belgischen Verein „Echiquier Mosan“ am European Club Cup in Porto Carras teil. Vor der letzten Runde war die Ausbeute durchwachsen: Zwei glatte Schwarzniederlagen gegen die GMs Predojevic und Yuffa in den Runden 1 und 5, zwei Remisen (gegen einen etwa gleich starken Spieler in Runde 6 mit Schwarz ein Doppelturmendspiel mit Minusbauer gehalten und gegen einen schwächeren Spieler – heißt hier jeweils 21xx – eine Stellung mit starkem Springer gegen schlechten Läufer in Runde 2 zum Remis verdorben) und zwei herausgequälte Siege auch gegen schwächere Spieler, davon einmal mit Turm und Läufer gegen Turm und Springer bei asymmetrischen Bauern in Runde 4 und einmal mit Turm und Läuferbauer gegen Turm in Runde 3, weil der Gegner die Philidorverteidigung auf der sechsten Reihe nicht kannte (wobei es hier die dritte gewesen wäre). Es ist also schon was Wahres dran, dass man nicht zu früh Remis anbieten soll, wie im Beitrag Es ist absurd … beworben wird. (Off topic: Es gehört zu den Nachteilen beim ECC, wenn man in etwa in der Mitte gesetzt ist, dass man am Anfang oft hohe ELO-Differenzen in die eine oder andere Richtung hat, erst in Runde 6 gab es einen Gegner mit etwa gleicher Zahl.)
In der Schlussrunde bot sich die Gelegenheit, gegen einen ungefähr gleich starken Spieler mit einem Weißsieg auf +1 und damit in den Rahmen der ELO-Erwartung zu kommen. Nach frühen Abtauschorgien sind wir nach 31.fxe3 tatsächlich schon im Bauernendpiel:
Die bessere Bauernstruktur und der potentielle entfernte Freibauer am Damenflügel ließen mich annehmen, dass Weiß auf Gewinn steht, aber beweisen konnte ich es in der Partie Buscher – Sylvan nicht, die wie folgt weiterging: 31…a5 32.a3 h5 33.Kg2 Kf6 34.Kf3 Ke6 35.b4 axb4 36.axb4 f6 37.g4 hxg4+ 38.hxg4 e4+ 39.Kf4 fxg4 40.Kxg4 Ke5 41.c5 bxc5 42.bxc5 Kd5 43.Kf5 Kxc5 44.Kxf6 Kd5 45.Kf5 Kd6 46.Kxe4 Ke6 47.Kd4 Kd6 48.e4 Ke6 49.e5 Ke7 50.Kd5 Kd7 51.e6+ Ke7 52.Ke5 Ke8 53.Kd6 Kd8 54.e7+ Ke8 55.Ke6 und ich hatte nur den Pattsieg erreicht.
Einige Zeit später sprach mich ein damaliger Mannschaftskollege aus Aachen an, der die Partie in der Liveübertragung verfolgt und einen Gewinn für mich gefunden hatte (ohne Engine, aber mit Analyse); also passt der Tag „Verpasste Gelegenheit“ auch hierzu.
Wer findet ebenfalls die richtige Fortsetzung?
7 Kommentare
Ich sehe nichts besseres als den Übergang in ein Endspiel Dame + h-Bauer gegen Dame, das zweifellos bessere Gewinnchancen bietet als die Partiefortsetzung, aber laut Nalimov remis ist…
Mein Vorschlag wäre es, von 37.g4 Abstand zu nehmen und stattdessen den König zur Bildung eines entfernten Freibauern gen Damenflügel zu führen. Nach a4 zu laufen bringt nichts, weil …h4 gewisse Fragen stellt (und wenn Weiß selbst h4 zieht, wird es wird es in punkto Reservetempi eng), bleibt also als Gewinnidee das Manöver b5, Kb4, c5.
Z.B.: 37.Ke2 Kd6 38.Kd2 Kc6 39.Kc3 Kd6 40.b5 Kc7 41.Kb4 Kd6 42. h4 e4 43.c5+ bxc5+ 44.Kc4. Leider scheint mir das zum Gewinn nicht zu reichen, weil nach 44… f4 45.gxf4 f5 45.b6 Kc6 46.b7 Kxb7 47.Kxc5 Ka6 der schwarze Gegenangriff auf den e3 schnell genug ist – beide Seiten laufen gleichzeitig durch, und im Damenendspiel gewinnt Weiß zwar noch den h-Bauern, aber wie Nalimov schon sagte …
Richtig ist schon mal, dass 37.g4? den Sieg verschenkt – e4 war vorher immer schlecht für Schwarz, so dass ich das simple 38.-e4+ glatt außer Acht gelassen hatte. Wichtig ist aber, dass der sK das Feld e5 bekommt.
Wir suchen einen glatten Gewinn, kein Endspiel D+B gegen D, das nach tablebase in 37 Zügen oder so gewonnen ist. Wer findet noch eine andere Idee? Schaut Euch noch mal das aktuelle Turmendspiel von HL an, das ist zwar völlig anders, aber…
Übrigens, ich hoffe dass niemand Anstoß an dem Terminus „schwächere Spieler“ genommen hat, das war nicht abwertend gemeint, sondern nur eine relative Beschreibung.
Die schwarze Bauernmehrheit am Königsflügel scheint keinen guten Durchbruch zu haben, deswegen wäre mein Plan auch, mit dem König die eigene Mehrheit am Damenflügel zu unterstützen.
Eine andere Idee ist sofort 32.g4. Meine Vorstellung ist, dass der schwarze König erst den weißen Freibauern am Damenflügel schlagen muss und am Ende so etwas wie sKd5, sBe4 gegen wKf5, wBe3 übrigbleibt und der e4 fällt.
PS: Auf dem Analysebrett ganz unten können gern Varianten ausprobiert werden.
Eine andere Idee besteht darin, sich an beiden Flügeln Freibauern zu verschaffen, also z.B. 37.Ke2 Kd6 38.h4 mit der Idee 39.e4 fxe4 40.g4.
Das ist die richtige Idee. Ein Durchbruch auf der Seite meiner Minderheit war aber völlig außerhalb meines Suchhorizonts. Die entstehende schwarze Bauernmasse auf e bis g kommt zu spät, z.B. 37.Ke2 (Kf2 tut’s wohl auch) Kd6 38. h4 Ke6 39. g4 hxg4 40.h5 g3 41. h6 Kf7 42.h7 Kg7 43.c5 bxc5 44.bxc5 f5 45.c6 f4 46.c7 f3+ 48.Ke2 g2 49.h8D+ Kxh8 50.c8D+.
Aber was ist mit 37…e4, um den Durchbruch mit e3-e4 zu verhindern?
PS: Ich habe jetzt mal den Rechner angestellt, die Maschine will mit 32.g4 gewinnen.