Am nächsten Sonntag kommt der SC Neukloster nach Greifswald und wird die Tabellenführung in der Landesliga übernehmen. Adolf-Gunter Armoneit, der Vorsitzende des SC Neukloster und eine schillernde Figur in der wechselhaften Geschichte des Mecklenburger Schachs, nimmt vorab schon einmal in der Ostsee-Zeitung Maß:
„Wir wollen das Niveau des Schachspiels in Mecklenburg-Vorpommern bestimmen.“ Um das Ziel zu erreichen, hat er wie schon früher Spitzenspieler aus nah und fern zusammengeholt. So soll gegen Greifswald für den SC Neukloster der Schach-Großmeister Thomas Luther aus Erfurt (Deutscher Meister 2004) antreten. Verpflichtet wurden auch der ungarische Großmeister Lajos Seres, der Internationale Meister Zbignew Jasnikowski aus Polen und Landesmeister Hannes Knuth aus Wittenburg. Dem Achterteam, das den Aufstieg sichern soll, gehören außerdem Wolfgang Westphal aus Schwerin, Rainer Röhl aus Torgelow (spielte zuletzt für Greifswald), Chris Borchert aus Wismar und Christoph Hornych aus Rostock an. „Ein bisschen verrückt muss man schon sein, um so eine Spielerschar zusammen zu bekommen“, gibt Adolf Gunter Armoneit zu. Er selber ist ein „Schach-Besessener“, der auch privates Geld in das Ziel seines Vereins investiert. Mit der Handycap-Pension im Rücken hat er alle Möglichkeiten, seinen Spielern zum Beispiel Kost und Logie zu bieten. Und schon hat Armoneit zwei weitere Könner an der Angel: Großmeister Carsten Hoi und Ole Jakobson, Sechster der Weltmeisterschaft 2005, beide aus Dänemark. „Das Land Mecklenburg-Vorpommern in der Oberliga dauerhaft zu vertreten ist unser realistisches Ziel“, sagt Armoneit. Zurück in die Bundesliga, wo er früher mit einer ähnlich bunt zusammengewürfelten Mannschaft vertreten war, will er nicht. „Das würde unsere finanziellen Möglichkeiten einfach übersteigen“, sagt der Schach-Enthusiast.
Was sagt uns das?
Zunächst einmal, dass der Redakteur der Ostsee-Zeitung offenkundig Probleme hat, „Handicap“ (das hat mit einem Handy nichts zu tun) und „Logis“ richtig zu schreiben. Zweitens, dass der Schachfreund Armoneit scheinbar kurz vor der Inthronisierung steht und schon damit beginnt, von sich in der Plural-Form zu sprechen. Drittens, dass der Förderverein Handicap-Pension e.V. sich offenbar an den Kosten des SC Neukloster beteiligt. Viertens, dass Weltmeisterschaften und Seniorenweltmeisterschaften nicht nur semantisch ein Unterschied sind. Und fünftens, dass der Schachfreund Armoneit ein bisschen tiefstapelt. Man ist doch geneigt zu fragen, wie man mit einem weiteren Großmeister und einem weiteren Internationalen Meister nicht in die 2. Bundesliga aufsteigen kann.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Ich habe nichts dagegen, wenn jemand zu einem Verein geht, bei dem er Geld für das Schachspielen bekommt. Ich habe auch nichts dagegen, wenn sich jemand eine oder mehr Mannschaften zusammenkauft und damit eine Amateurliga dominiert – auch wenn ich die Motivation dafür nicht verstehe. Ich glaube aber, dass es langfristig gesünder für das Schach in Mecklenburg-Vorpommern wäre, von ganz normalen Vereinen aus größeren Städten mit eigener Nachwuchsarbeit und breiter Mitgliederstruktur mit möglichst vielen einheimischen Spielern überregional repräsentiert zu werden. „Dauerhaft“ heißt hier doch nichts anderes als „so lange Geld da ist“.
Was mal gesagt werden musste.
7 Kommentare
Was niemand wissen will und auch nicht gesagt werden muss:
1. Seit wann steht der Ausgang von Mannschaftskämpfen schon vorher fest?
„Am nächsten Sonntag kommt der SC Neukloster nach Greifswald und wird die Tabellenführung in der Landesliga übernehmen.“
Wer so herangeht, hat schon verloren. Mit geeigneter Aufstellung und Vorbereitung hat der Greifswalder SV durchaus eine 10-20%ige Chance, Neukloster auch gegen die Titelträger zu kontern. Ein 4:4 reicht ja.
2. Die Orthographie des Artikels bewegt sich nun mal im Rahmen der
„OZ-Rechtschreibreform“, ist also durch die beschränkten geistigen
Fähigkeiten der lokalen Springer-Journalisten bedingt. Dabei sind die
beiden vorliegenden Freudschen Verschreiber sogar humoristisch wertvoll:
Vielleicht soll ja angedeutet werden, dass es neben der leiblichen Kost in
Nakenstorf auch ganz viel geistige Nahrung gab oder gibt, nämlich Bio-Logie, Psycho-Logie, Öko-Logie oder Physio-Logie, kurz, eine Antho-Logie aller möglichen Studienrichtungen (kann mich noch daran erinnern, wie nicht selten am Samstagabend Mathenachhilfe bei Hausaufgaben von Mannschaftskollegen anstand…). Da ist es schon ein Zeichen von Bescheidenheit, dass sich Nakenstorf nicht zur inoffiziellen
Elite-Universität erklärt hat (soviel Kenntnisse wie an der Uni Bremen
waren da auch versammelt, freilich schliesst ja die Lage im Osten eine
Anerkennung durch die Bildungspolitiker aus).
„Handicap“=Behinderung hat zwar in der Tat erst mal nichts mit Handy zu tun, aber wenigstens funktioniert es umgekehrt – die meisten exzessiven Handynutzer weisen schon nach kurzer Zeit beunruhigende Symptome auf. Insofern ist die Wortschöpfung erstklassig…(ich will hier gar nicht erst die traurigen Geschichten von jungen Vorpommern fortspinnen, die sich wegen Handyschulden bei der Bundeswehr verpflichten, sich ob des Zusatzsoldes nach Afghanistan verpflichten und sich dort zu Krüppeln schiessen lassen…womit sie dann wieder ein Fall für die Handicap-Pension sind).
3. Der Pluralis Majestatis wird stets groß geschrieben, insofern müßte
es im Falle der Inthronisierung heißen „ist Unser realistisches Ziel“ oder „würde Unsere finanziellen Möglichkeiten einfach übersteigen“. Also nix mit
GGHvMSFzWetc.
Der inoffizielle Titel Adolf-Gunter Armoneits, der Legende nach übrigens
zuerst von polnischen Gastspielern gebraucht, ist ein anderer (historisch
bedingt leicht anrüchiger).
4. Tja, mit diesen ganzen Weltmeisterschaften im Schach hatte die OZ ja
immer schon ein Problem. Wenigstens haben die Seniorenweltmeisterschaften wirklich stattgefunden. Und StK hält ja auch Kramnik für einen Weltmeister, da liegt er doch fast genauso daneben wie die OZ mit ihren Senioren ;-)
5. „Langfristig sind wir alle tot.“ (Keynes)
Langfristig wird es in MV nur noch schachspielende Greise geben, bis der
Anstieg des Meeresspiegels nach der Klimakatastrophe das Land unter Wasser setzt. Dann wird es vielleicht nur noch meinen alten Verein, die SG Jasmund geben, weil sich die Fischer rechtzeitig mit ihren Brettern in die Kutter geflüchtet haben und der Rest auf dem Jasmunder Piekberg sitzt, der noch knapp aus der Ostsee ragt. Vielleicht spielen sie ja noch eine
Flaschenpost-Fernpartie gegen die SG Eintracht Neubrandenburg, wenn die
sich rechtzeitig ein Spiellokal auf den Helpter Bergen gesichert haben, und gegen ein paar Parchimer auf den Ruhner Bergen.
Natürlich heißt im Fall Neukloster „dauerhaft“ erst einmal „so lange Geld
da ist“. Was aber nicht ausschliesst, dass auch eine vernünftige
Nachwuchsförderung in Gang kommt – früher hatte das mal geklappt (s.u.).
Dass sich in Städten wie Rostock oder Schwerin niemand findet, der
ähnlich viel Geld in den Schachsport steckt, ist eine Schande und ein
Armutszeugnis.
6. „Früher war alles besser.“
Warum hat das Modell Neukloster damals funktioniert? Die Städte in MV
können lokal günstigenfalls eine Oberligamannschaft zusammenbringen, mehr nicht. Es gibt aber einige Spieler, die mindestens in die (2.) Bundesliga gehören und genau aus diesem Grund schachlich ausgewandert sind. Es bleibt die bemerkenswerte Leistung von Neukloster, dass (durch Ergänzung der Mannschaft mit Legionären) Leute wie Rene Stern ins Land zurück geholt wurden. Auch Talenten wie Jan Priebe konnte so eine einzigartige Möglichkeit geboten werden. Die Entwicklung aufwärts gipfelte in der letzten Saison 2001/2002 darin, dass die Klasse komplett mit deutschen Spielern gehalten wurden. Die Tragik der Neukloster-Story besteht auch darin, dass diese Entwicklung gerade an diesem Punkt zum Halt kam.
Das ist nicht mehr zu wiederholen. Schach-Emigranten wie Rene Stern, Dirk Poldauf, Henrik Rudolf oder ich (also alles Spieler, die besser sind als der in MV spielende Rest und vermutlich ein Simultan gegen die Schweriner Oberliga-Mannschaft gewinnen würden) oder Christian Hüneburg, Ulli Reyer, Jens Gottschalk, Jan Priebe werden wohl nicht zurückkommen und in einer Mannschaft spielen.
7. „Man ist doch geneigt zu fragen, wie man mit einem weiteren Großmeister und einem weiteren Internationalen Meister nicht in die 2. Bundesliga aufsteigen kann.“
Ja, mit 2 GMs, 2IMs, einem Hannes und dem Rest wird man normalerweise den Aufstieg in die 2. BLN nicht verhindern können, zumal die OLNN inzwischen viel schwächer ist als früher. Nein, man steigt nicht auf, wenn man es nicht will. Das Kostenproblem liegt bei der 2. Liga nicht an den Spielern sondern auch an den Reisekosten. Außerdem kann man sich in der OLNN die Ausländer ja einsparen, wenn der Klassenerhalt erreicht ist. Dass man mit diesem Modell keine Spitzenspieler ins Land zurückholt, ist die traurige andere Seite der Medaille.
8. Wünschenswert wäre es, wenn Städte wie Schwerin oder Rostock aus
eigener Kraft eine solide Mannschaft oberligafähige Mannschaft aufbauen
könnten. Das haben sie nicht geschafft, gerade auch in den Jahren nicht, als Gunter Armoneit nicht den Spielermarkt verzerrt hat. In dieser Zeit hat sich Schwerin sogar denkwürdig selbst zerlegt, und man konnte nicht mal
Neukloster die Schuld geben. Rostock hat trotz Einwohnerzahl, Universität
und Ãœbernahme des Neukloster-Erbes drei polnische IMs und einen deutschen IM zukaufen müssen, um die Klasse zu halten. Die langfristige Entwicklung dort geht rückwärts, was natürlich auch an der miserablen Nachwuchsarbeit liegt.
Ãœbrigens, warum spielt z.B. ein IM Laszlo Hetey trotz Studiums in Rostock lieber in der OLNO als in der OLNN?
9. Greifswald ist derzeit der einzige Verein des Landes, der aus eigener Kraft überregional spielen könnte. Das hängt aber wie immer konkret
an zwei/drei Leuten im Verein, und an der Universität. Die Forderung „breite Mitgliederstruktur mit möglichst vielen einheimischen Spielern“ ist aber Quatsch – wie viele Fischer oder Bauern habt ihr denn im Verein? Der GSV ist (auch historisch bedingt) primär ein Akademikerverein, der wesentlich mit von fähigen Studenten lebt (ohne sie wäre er auch nur untere Hälfte Landesliga). „Einheimisch“ sind weder Malte Stopsack noch Richard Valet, und das ist auch gut so.
10. „Ich habe nichts dagegen, wenn jemand zu einem Verein geht, bei dem er Geld für das Schachspielen bekommt.“
Ich schon. Als männlicher Mitteleuropäer ist es sowieso sinnlos, mit Schach Geld verdienen zu wollen (man hat es auch nicht nötig im Vergleich zu 90% der Menschheit). Da sollte man konsequent sein und finanzielle Ãœberlegungen hintanstellen, zumal es global gerechnet ohnehin peanuts sind. Wenn jemand wegen einer Handvoll Euro eine gewachsene Struktur beschädigt, dann liegt das auch in seiner eigenen Verantwortung, und da darf man durchaus etwas dagegen haben.
Ich habe übrigens niemals Geld fürs Spielen in Neukloster genommen.
Was vermutlich erst recht niemand wissen will und was obendrein schon hin und wieder gesagt wurde:
Zu einigen Kommentaren von Meister O.:
1.: Mein Reden, mein Reden. Deine Einschätzung (10-20%ige Chance für Greifswald) stimmt ziemlich gut mit meiner überein. Man darf allerdings nicht vergessen, dass der Autor des Beitrages im Verein für das Behalten der Bodenhaftung zuständig ist. [Anm.: Wenn ich Prognosen von Stefan K. höre, kommt mir immer der Spruch „Ein Pessimist ist, wer einen Realisten für einen Optimisten hält“ in den Sinn — wenn die Prognose von Richard V. ist, fällt mir ein: „Ein Optimist ist, wer einen Realisten für einen Pessimisten hält“.]
4.: Immerhin meinte der OZ-Redakteur am vergangenen Wochenende (Deutscher Pokal in Greifswald), er wolle sich doch am Abend noch einmal durch eine Suche im Netz vergewissern, ob wirklich eine Pokal-Zwischenrunde in Greifswald angesetzt war ;-)
6.: Sehe ich ganz ähnlich. Interessante Idee übrigens: Meister O im Simultanspiel gegen die Oberligamannschaft aus Schwerin! Früher hättest Du die Klammer hinter Henriks Namen begonnen ;-)
Früher war ja die Oberligamannschaft aus Schwerin auch noch viel besser, und ich noch nicht größenwahnsinnig ;-)
und überhaupt:
„We have something to look forward to. “
(Was ja bekanntlich auch die Replik in „Capablanca“ auf „The leading banker in Amsterdam is now the pastry chef in our kitchen. “ ist…)
Interessant, was ihr hierzu schreibt. Und sicher will auch dies nicht jeder wissen …:
Die Leistung des jetzigen SC Neukloster steht und fällt mit einer Person, mit Adolf-Gunter Armoneit. Dies ist leider in vielen (Schach-)Vereinen so.
Gunter hat meine Hochachtung für sein persönliches (auch finanzielles) Engagement schon vor Jahren und jetzt wieder. Dies beinhaltet jedoch auch Sorge: es kommt der Zeitpunkt, zu dem (aus welchem Grund auch immer) der Geldsegen versiegen kann und schon erweist es sich als unmöglich, den erreichten Stand zu halten. Deshalb halte ich den Weg des SC Neukloster über das reine „Zusammenkaufen“ von Mannschaften für sehr riskant. Für sicherer und deshalb besser halte ich den, zugegeben oft mühseligen (weil extrem langwierigen, zeitfressenden und manchmal auch von Rückschlägen überwucherten) Weg über Nachwuchsarbeit – und zwar „richtiger“ Nachwuchsarbeit vom jüngsten Alter und Anfängerniveau an bis hin zum Spitzenniveau (ob das nun auf das Bundesland oder mehr bezogen ist, sei erst einmal dahingestellt). Ideal wäre natürlich eine gute Mischung aus beidem, was in unserem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern anscheinend nicht so einfach realisierbar ist.
Das Punktspiel Greifswalder SV vs SC Neukloster ist bei allen Gedanken um die verschiedenen Wege an die Spitze zunächst mal das Landesliga-Spitzenspiel der diesjährigen Saison. Außenseiterrolle, Heimatstadt, weniger (oder besser keine?) Legionäre … ich drücke dem Greifswalder SV kräftig die Daumen und hoffe auf die Sensation. Wenn die dann tatsächlich vollbracht ist und der Greifswalder SV 2006/2007 wieder Oberliga spielt, tja dann gönne ich auch dem SC Neukloster den Sprung nach oben. Aber davor steht nun mal der kommende Sonntag und das „kleine“ Greifswald misst sich mit der, zumindest diesjährigen, (Schach-)Übermacht Neukloster. Viel Glück dem Greifswalder SV, ihr werdet’s wohl brauchen …
Wie es eigentlich ausgegangen ist?
Steht hier:
Noch mal gutgegangen.