Hannes Leisner 2214
Ingemars Jesse 2316
15. Nord-West-Cup, 27.01.2013
Anmerkungen: Hannes Leisner
Vom 24.bis 27.Januar fand für mich mittlerweile zum dritten Mal der 15. Nord-West-Cup im niedersächsischen Bad Zwischenahn statt, bei dem sich auch sehr viele Nachwuchsspieler anderer Landesverbände tummeln. Nachdem ich zwei von ihnen – in der zweiten Runde dank klug durchdachter Eröffnungswahl, in der fünften Runde einfach durch Glück – zwei Punkte abknöpfen konnte, kam ich in der 6.Runde gegen GM Gennadij Fish von Bremen.
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 (D)
Bei der Durchsicht der Partien meines Gegners hatte ich festgestellt, dass dieser – genau wie ich – die Paulsen-Variante im Sizilianer spielt. Es war das erste Mal überhaupt, dass ich gegen mein eigenes System antreten musste, ein im Vorfeld nicht ganz angenehmes Gefühl, vor allem da ich um die Flexibilität des Systems wusste. Den folgenden Zug habe ich dann bei Durchsicht einiger Bücher gefunden und beschlossen, ihn zu spielen. Er scheint giftiger zu sein, als er von Anfang an aussieht. Weiß bewahrt sich ebenso die Flexibilität seiner Figurenaufstellung und macht einen Bauernzug, den er eh spielen möchte – er kopiert also den schwarzen Ansatz. GM Fish nahm danach erstmal eine Auszeit und überlegte ca. 10 Minuten. So spektakulär ist die Partie nicht, er spielte früh d5, es kam zum Damentausch und nach 16 Zügen bot er mir dank meines bis dahin eroberten Läuferpaares Remis an, welches ich annahm. Nun dachte ich, dass in der Schlussrunde nochmal ein dicker Brocken kommt, der mich mit Weiß einfach positionell auseinander nimmt – ähnlich wie der GM in Runde 3. Doch es kam anders, mein Letztrundengegner war der lettische FM Ingemars Jesse, mit ELO knapp über 2300 – und ich hatte Weiß. Also konnte ich nochmal kämpfen. Umso erfreulicher für mich, dass genau die gleiche Eröffnung wie gegen GM Fish auf’s Brett kam.Ich konnte mein »Glück« kaum fassen – einmal vorbereitet hat für zwei Gegner gereicht.
5.f4 b5
Schwarz nahm sich keine so lange Auszeit und spielte diesen Zug recht schnell.
6.Ld3 Lb7 7.a4 b4 8.Le3 Sf6 9.Sd2
Hier zeigt sich die Flexibilität von 5. f4. Weiß hat die Aufstellung seines Damenspringers noch nicht fest gelegt und kann ihn wie hier nach c4 entwickeln.
9…h5 (D)
In Erwartung der kurzen weißen Rochade sicherlich ein Standardzug – gerade im Paulsen. Aber wo geht nun der schwarze König hin? Damit zeigte mir mein Gegner immerhin, dass er auch gewinnen wollte und entsprechend etwas riskierte.
10.De2
e2 oder f3? Die Gretchenfrage.Von f3 kann sie leicht nach h3 um e6 im Auge zu behalten. Dazu müsste Schwarz aber seinen d-Bauern bewegen und das tut er normalerweise nicht allzu früh. Dafür steht sie auf e2 nicht in der Läuferdiagonalen.
10…Dc7
Hier hatte ich mich – eben wohl weil ich gegen mein eigenes System spielte – etwas unwohl gefühlt.
11.Tf1
Sah für mich anfangs hässlich aus, soll der weiße König wirklich zum geschwächten Damenflügel? 11.O-O Sg4 gibt den wichtigen schwarzfeldrigen Läufer ab und kann schon deswegen nicht gut sein. Außerdem würde es den 9.Zug von Schwarz rechtfertigen.
11…Sc6 12.S4b3 Sa5
Nachdem mein Gegner diesen Zug ausgeführt hatte, dachte ich mir, dass ich nicht so schlecht stehen könnte – obwohl dies natürlich ein Standardmanöver für Schwarz ist.Immerhin kann ich c4 mit Tempo besetzen.
13.Sxa5 Dxa5 14.Sc4 Dc7 15.Ld4
Nötig, um e4 zu decken.
15…Le7
Kurioserweise zeigt die Büchse 15…Sxe4 sofort an. Nach 16.Sb6 gibt’s dann Züge, die wohl keine Normalsterblicher am Brett finden würde – Schwarz opfert die Qualle und hat wohl gewisse Kompensation. Dabei belasse ich es auch (16.Lxe4 Lxe4 17.Dxe4 d5 und Schwarz bekommt die Figur zurück).
16.O-O-O a5 (D)
Mein Gegner plante wahrscheinlich Dc6, was vorher wegen Sa5 nicht gegangen wäre.
17.b3
An diesem Zug habe ich relativ lange überlegt. Er schwächt die schwarzen Felder, deckt aber immerhin a4 und c4. Außerdem wollte ich noch nichts Konkretes im Zentrum unternehmen, um abzuwarten, was Schwarz mit seinem König macht. Ein netter taktischer Trick entsteht nach 17.Le5, was auf das natürlich aussehende 17…d6 hofft, doch nach 18.Lxd6 Lxd6 19.Sxd6+ Dxd6 20.Lb5+ ist Schwarz die Dame los. Schwarz zieht aber 17…Dc6 und steht wohl recht vernünftig.
17…Lc6
Oder eben der typische Aufbau Lc6 & Db7 mit Druck gegen e4.
18.f5 Dxh2
Ich hatte während der Partie natürlich gesehen, dass der Bauer hing, aber nicht daran gedacht, dass er ihn schlagen würde. Als er es doch tat – nach vielleicht fünf- bis zehnminütigem Überlegen – war ich etwas überrascht.Das kann nicht gut sein und laut Büchse ist es der wohl entscheidende Fehler. Die schwarze Dame steht einfach im Abseits und muss mit ansehen, wie meine Figuren über den schwarzen König herfallen.
19.fxe6 dxe6 20.Se5
Eine andere von Houdini vorgeschlagene Idee besteht in 20.Df2. Die Idee ist – je nach schwarzer Reaktion – mittels Le5 die Dame zu fangen oder mit e5 die f-Linie freizulegen und auf f7 einzusteigen, z.B. 20…Dc7 (oder 20…O-O 21.Le5 Sg4 22.Lxh2 Sxf2 23.Txf2 mit Mehrfigur) 21.e5 mit riesigem weißen Vorteil, da 21…Sd5 22.Dxf7+ Kd7 und jetzt 23.Lf5 exf5 24. Lb6 Dc8 25.e6# (D)
in einem hübschen Matt endet. Da ist die Engine erbarmungslos. Der Textzug reicht aber auch zum Sieg.
20…Lb7 21.Lb5+ Kf8 (D)
22.Sg6+
Die Zeit ist reif, die schwarze Stellung zu stürmen. Besser als 22.Sxf7 Kxf7 23.e5 mit dem gleichen Motiv. Allerdings steht hier der König auf f7 und Schwarz kann sich Dxg2 erlauben und nun hängt nach 24.exf6 auf e7 bzw. g7 nichts mit Schach. Außerdem ist f6 nochmals überdeckt, was recht wichtig ist, wenn man sich den Partieverlauf ansieht.
22…fxg6
Schwarz hat keine Wahl, da er ansonsten Material verliert. Ab hier ist es laut Rechner schon vorbei.
23.e5 Ld5 24.exf6 gxf6 25.Lxf6 Lxf6 (D)
26.Txd5
Öffnet der Dame den Weg bis nach e7.
26…exd5
Schwarz ist wehrlos, man beachte die unkoordinierten Schwerfiguren, welche alle jeweils in einer Ecke stehen
und nur hilflos zusehen können.
27.Txf6+ Kg7 28.De7+ Kh6 (D)
Wir beenden die Partiekommentierung mit einer Aufgabe, die auch Hartplatzhelden lösen können. Weiß am Zug. Schwarz hielt danach sofort die Uhr an, gab auf und würdigte mich keines Blickes mehr.
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19 Kommentare
Schöne Partie :-)
Aber die Aufgabe ist zu einfach (selbst für Hartplatzhelden…).
Whow, eine tolle Partie von dir. Solche Züge, wie 22. Sg6+ sind für mich der Grund, warum Schach Spaß macht.
Wenn man mit der Nase drauf gestoßen wird, ist es tatsächlich für einen Hartplatzhelden leicht. Hattest du das Matt schon bei 26. Txd5 gesehen?
@NL 70: Wenn ich mich entsinne, schon. Aber wie das so ist, man rechnet trotzdem noch an dem Zug und möchte es wasserdicht haben. Und beim 27. & 28. ist es dann genauso.
Respekt – was für eine schöne Partie! Welchen Platz hast du am Ende belegt?
@Adju: »Leider« nur Neunter. Wieder mal ein Ratingpreis…irgendwie habe ich die Dinger abonniert.
Da ja auch die Dummen (also ich…) noch was lernen wollen, wären ein paar Fragezeichen (oder auch Ausrufezeichen) mal ganz hilfreich: Denn mir erschließt nicht so ganz, was der Schwarze da zusammengegurkt hat: Weiß ist voll entwickelt, schwarzer König in der Mitte, dann ein unmotivierter Bauernraub; das kann nicht gut gehen und ging es ja auch nicht! Würde ganz ehrlich mehr dazu vom Meister erfahren!
O.K., da folgt ja nun noch ein kleiner Kasten, aha…Jetzt wird’s richtig interessant!
WERBUNG: Ich mache schonmal drauf aufmerksam, dass demnächst ein Kontrastprogramm zur hier gezeigten Partie kommmen wird. Wir dürfen gespannt sein…
Das hört sich ja fast danach an, dass die nächste Folge der Hartplatzhelden den Titel »How to lose against a grandmaster’s daughter« (Norderstedt 2012) tragen wird…
Ich bereite gerade die Daten auf. Sensationell…
Lechz…! Gier…!
@El Nino: Wie onomatopoetisch!
Ja, sorry: Eine gewisse »Verbildung« durch das Lustige Taschenbuch kann ich nicht leugnen!
LTB? – »Grins!«
Ich habe die nächste Partie mit CB Light kommentiert und festgestellt, dass ich damit nichts abspeichern kann. »Grummel!«
Heul! Schnief! Blackmar-Diemer! Schluchz!
Peng! Und nu? Wie kommen wir ans’s Meisterwerk??
Wenn jemand ein gutes und freies Programm kennt, mit dem ich eine pgn-Datei einschließlich Kommentaren und Varianten anfertigen (und abspeichern!) kann, wäre mir schon sehr geholfen.
Ich benutze seit Jahr und Tag scid.
Für meine Zwecke hat das bisher vollkommen ausgereicht. Kommentare und Varianten solltest du auf jeden Fall anfertigen können und eine Exportmöglichkeit in PGN-Dateien gibt es auch.
Du kannst mit scid allerdings keine Dateien im ChessBase-Format öffnen und speichern.