Eines Abends hatte er im Club hintereinander drei Partien gewonnen, worauf der alte Copenghem, der ihn nicht leiden konnte, hämisch sagte:
„Kunststück, wenn Sie immer nur gegen Schwächere spielen!“
Popinga hatte sich beleidigt dagegen verwahrt, Copenghem schließlich herausgefordert und ihm einen Läufer und einen Turm vorgegeben.
Er sah die Partie noch vor sich – sie sollte in die Annalen des Clubs eingehen. Obwohl Copenghem ein hervorragender Spieler war, gab sich Popinga sehr selbstsicher und stolzierte zwischen den einzelnen Zügen auf und ab, was seinen Gegner rasend machte. Auf einem Tischchen neben ihm stand ein kleines Glas Münchner Bier, von dem gerade ein Faß angezapft worden war.
Nach einer Stunde, in der sich Popinga immer nur arrogant aufspielte, setzte der andere ihn mit einem süffisanten Lächeln matt.
Etwas Unangenehmeres hätte Popinga gar nicht passieren können. Über zwanzig Personen waren Zeugen der Partie und seiner Prahlereien gewesen.
Aber er ließ es sich nicht anfechten, er wurde weder blaß noch rot, sondern blieb die Ruhe selbst und sagte einlenkend:
„Kann ja mal passieren, oder?“
Gleichzeitig nahm er unbemerkt einen Läufer aus dem Spiel. Diese Schachfiguren aus geschnitztem Elfenbein waren in ganz Groningen bekannt und gehörte Copenghem, der immer behauptete, mit keinen anderen als seinen eigenen Schachfiguren spielen zu können.
Popinga hatte den schwarzen Läufer gewählt. Mit einem Blick hatte er die Lage erfaßt und ließ gleich darauf den Läufer in sein Glas Münchner Bier plumpsen.
Danach sollte eine neue Schachpartie beginnen. Man bemerkte, daß der Läufer fehlte, und suchte ihn überall, rief den Kellner und stellte alle möglichen Vermutungen an, dachte aber nicht an das Glas Dunkelbier, das Kees sich hütete auszutrinken, und das dann wer weiß wo ausgeschüttet wurde, denn Copenghem bekam seinen Läufer nie zurück.
Georges Simenon: Der Mann, der den Zügen nachsah (1938)