Dem vergangenen Jahr hat es auch aus schachlicher Sicht nicht an Tiefpunkten gefehlt. An erster Stelle steht dabei für mich der Umgang von FIDE und Lichess mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine. Der Weltschachverband unter dem (nach Kriegsbeginn wiedergewählten) russischen Multi-Funktionär Arkadi Dworkowitsch hat immerhin die russischen Fahnen und Mannschaften suspendiert, Lichess hat nicht einmal das geschafft. Ein Trauerspiel.
Im Laufe des letzten Jahres ist mir auch klar geworden, dass ich irgendwann aufgehört habe, ein Fan von Magnus Carlsen zu sein. Sein (zur Unzeit erklärter) Verzicht auf den Weltmeisterschaftskampf war sicher ein Grund dafür. Carlsen ist der stärkste Schachspieler aller Zeiten, und als Weltmeister hat er auch das Recht, das Format des nächsten Wettkampfes mitzubestimmen. Aber sich seinen Thronfolger selbst aussuchen zu wollen, geht mir dann doch etwas zu weit.
Der andere Punkt war seine unwürdige Auseinandersetzung mit Hans Niemann. Die traurige Geschichte ist an vielen Stellen beschrieben worden und soll hier nicht wiederholt werden. Ich verstehe allerdings nicht, warum sich niemand ernsthaft die Frage stellt, was der Skandal und seine mediale Darstellung mit dem größten Deal der Schachgeschichte — dem Kauf der Play-Magnus-Gruppe durch Chess.com — zu tun haben könnte. Wesentliche Teile der Schachöffentlichkeit sind in diesem Unternehmen privatisiert worden, das gleichzeitig zu einem großen (und online zum größten) Schachveranstalter geworden ist. Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind überall zu beobachten. Immerhin empfinde ich ein wenig Schadenfreude darüber, dass Magnus Carlsen jetzt so tun muss, als sei Hikaru Nakamura, der Posterboy von Chess.com, sein Best Buddy.