Der kleine Angsthase

Ich habe ein bisschen darüber nachgedacht, ob es zu rechtfertigen ist, hier ein einigermaßen uninteressantes Kurzremis zu publizieren. Doch hat mich die Partie noch eine ganze Weile lang beschäftigt.

Kaiser – Kalhorn
Berlin, 19.11.2006
C85 Spanisch

Wir waren einigermaßen zuversichtlich nach Berlin-Charlottenburg zur 3. Runde in der Oberliga Nordost gefahren. In der 1. Runde hatte wir überraschend und deutlich Friesen Lichtenberg geschlagen. Und den heutigen Gegner konnten wir vor zwei Jahren schon einmal knapp besiegen. Alle Mann waren an Bord, alle, außer Christian, dessen Zug irgendwo bei Hannover ausgefallen war und der deshalb mit 50 Minuten Verspätung am Brett erschien. Da war ich fast schon fertig.

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Lxc6

Das kam als Überraschung. Mein Gegner hatte zuvor stets einen Geschlossenen Spanier gespielt. Ich erinnerte mich nur dunkel, dass Weiß im nächsten Zug aus irgendwelchen Gründen De1 spielen kann. Aber worin liegt der Sinn der verzögerten Abtausch-Variante? Immerhin büßt Weiß im Vergleich zu 4.Lxc6 ein Tempo ein. Wahrscheinlich stehen aber der Läufer e7 und der Sf6 in dieser Struktur nicht optimal.

6…dxc6

Das kann man mangels Alternativen schnell und unbeeindruckt ziehen.

7.De1

Tatsächlich. Ich begann zu grübeln.

7…Dd6

Keine übermäßig gute Idee. Ich wollte vor Sd7 erst noch meinen Läufer herausspielen. Aber der Bauer e5 hängt ja noch gar nicht. 7…Sd7 8.b3 c5 9.Lb2 Ld6 ist eine Art Hauptvariante; 7…c5 ist gleichfalls möglich. 8.Sxe5 Dd4 9.Sf3 Dxe4 10.Dxe4 Sxe4 11.Te1 Sf6 12.b3 b6 13.Lb2 Le6 ergab in Anand-Short, Tilburg 1991 Ausgleich; 7…Le6 8.b3 Sd7 9.Lb2 f6 10.d4 Ld6 funktioniert ebenfalls.

8.d4 Sd7

Erst nachdem ich meinen siebten Zug ausgeführt hatte, sah ich, dass 8…exd4 wegen 9.e5 nicht geht. Mein taktisches Verständnis schien heute nicht besonders ausgeprägt zu sein.

9.dxe5 Sxe5 10.Sxe5 Dxe5 11.f4

Hier hatte ich das Gefühl, dass etwas schiefgegangen war. Tatsächlich ist die Stellung noch in Ordnung. 11.Dc3 Dxc3 12.Sxc3 Le6 13.Td1 Ld6 14.Le3 0-0-0 war Lechtynsky-Beljawski, Baku 1980.

11…Dd4+

Die geht besser nach h5. Ich wusste nicht, ob die Damen getauscht werden müssen. Tatsächlich sollte ich aber mein Spiel auf den weißen Feldern suchen.

12.Kh1

Nach 12.De3 hätte ich wahrscheinlich 12…Dxe3+ 13.Lxe3 Ld7 gespielt.

12…Ld7 13.Sd2 0-0-0 14.Sf3 Df6

Mit Remisgebot. Ich hatte plötzlich Sorge, die Partie zu verlieren. Eigentlich wollte ich nur hören, dass der Weiße das Angebot ablehnt und damit meinen Kampfgeist wiederfinden. Klare Fronten eben. Die anderen sieben Bretter standen mehr oder weniger ausgeglichen, ich rechnete damit, dass die Berliner mit Weiß etwas holen wollten. Und ich war doch nicht um 6 Uhr aufgestanden und drei Stunden gefahren, um hier nach einer guten Stunde mit dem Spielen aufzuhören. Martin fragte seinen Mannschaftsleiter, überlegte, stand auf, sah sich die anderen Bretter an, setzte sich wieder hin, überlegte und … nahm an. Am Ende ging es zum Glück noch 4-4 aus, weil unser 3. Brett sechs Stunden fightete. Da saß ich schon im Zug nach Hause.

0.5-0.5

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