Die 1. Runde in der Oberliga Nord-Ost führte uns zum Zwangsabsteiger SV Glückauf Rüdersdorf. Die Rüdersdorfer meldeten eine etwas ungewöhnliche Aufstellung — sechs polnische Spieler an den ersten sechs Brettern und zählen damit sicherlich zu den Aufstiegskandidaten dieser Saison, wenngleich man sich fragen mag, welchen sportlichen Sinn eine solche Mannschaft ergibt, wenn der deutsche Rest eine durchschnittliche Elo von etwas über 2.000 aufweist.
Für uns jedenfalls Grund genug, mit der fast bestmöglichen Aufstellung zu spielen, was zu der skurrilen Situation führte, dass an Brett 3 ein innerpolnisches Duell stattfand, was zeit- und kostengünstiger in Stettin hätte ausgetragen werden können.
Anyway, Adrian und Micke hatten uns mit 3.5 zu 1.5 in Führung gebracht und die verbliebenen drei Bretter verteidigten schlechtere Endspiele. Olafs Turmendspiel war wohl aussichtlos, auf Axels Kenntnisse über ungleichfarbige Läuferendspiele durfte man vertrauen … und der Dritte war ich. In meiner Weißpartie gegen Bernhard Rutschke stand das klassische Damengambitendspiel Guter Springer gegen schlechter Läufer auf dem Brett, mit zwei kleinen Unterschieden. Ich bekam meinen Springer nicht nach c3 oder e3 und Schwarz konnte auf der h-Linie einen entfernten Freibauern bilden. Wir blenden uns in die entscheidende Phase ein.
47…g5
Schwarz hatte die bessere Zeit. Kneten mit 47…Kg4 war also eine Option.
48.hxg5 fxg5 49.f4
Ich hatte das Folgende gesehen, wollte aber angesichts des Wettkampfstandes den sichersten Weg gehen und rechnete an 49.Sd3 h4 50.gxh4 gxh4 51.Sf4+ Kg4 52.Sxd5 h3, was aber verlorengeht 53.Sf6+ Kh4 54.Se4 h2 55.Sg3 Kh3 56.d5 Kg2 57.d6 La4 (soweit habe ich natürlich nicht gerechnet).
49…Kxg3
Die Alternativen sind einfach remis: 49…gxf4+ 50.Kxf4; 49…g4 50.f5 La4 51.f6 Le8 52.Kf4; 49…Kg4 50.fxg5 Kxg5
50.fxg5 h4 51.g6 Lh5 52.g7 Lf7 53.Sd3
Als ich am 49. Zug überlegte, dachte ich zunächst, dass 55.Sf3 ausreicht. Der Läufer ist gebunden und für den h-Bauern gebe ich den Springer, war meine etwas naive Überlegung. Bis mir klar wurde, dass es danach ja noch weitergeht und der Läufer den Bauern auf d5 schützt. Bis ich den b-Bauern fresse, hat er meinen d-Bauern. Am Ende bekomme ich ein Endspiel Dame gegen Dame und Läufer. Tatsächlich ist es nach 53.Sf3 h3 54.Se5 Lg8 55.Sf3 h2 56.Sxh2 Kxh2 57.Kf4 Kg2 58.Ke5 Kf3 59.Kd6 Ke4 60.Kc6 Kxd4 61.Kxb6 Kc4 62.b5 d4 63.Kc6 d3 64.b6 d2 65.b7 d1D 66.b8D Dd5+ 67.Kc7 De5+ 68.Kc8 Le6+ 69.Kb7 Db2+ 70.Ka8 Ld5+ 71.Ka7 Dxg7+ wohl remis, aber mit schlechterer Zeit natürlich nicht zu verteidigen. Auf die Rettungsidee kam ich erst, als ich überlegte, ob ich bei einem Springeropfer auf der 1. Reihe im Vergleich zu obiger Variante ein Tempo gewinnen würde …
53…h3 54.Sf2 h2
Und jetzt — der Eckspringer! Schwarz kann nicht schlagen, weil ich ihn einsperre und dann nur noch Kf1-f2-f1-f2 spiele. Der schwarze Läufer kann mich nicht abklemmen, weil der Bauer d5 im Wege steht!
55.Sh1+ Kg2 56.Ke2 Lg8
Ich konnte meine Euphorie ob der gelungenen Rettung und angesichts des bevorstehenden Mannschaftssieges kaum noch bremsen.
57.Ke1
Mit Remisgebot. Als ich losgelassen hatte, bemerkte ich, dass ich meinen Eingang in die Endspielliteratur gerade verpatzt hatte. Dieser Zug stellt die Partie wahrscheinlich umgehend wieder ein. Was mache ich eigentlich, wenn der schwarze König zu meinen Bauern läuft? Einfach 57.Ke3 b5 (57…Kf1 58.Kd2) 58.Ke2 und Schwarz kommt nicht voran.
57…Kf3
Natürlich.
58.Sf2 Ke3
Gibt das Kompliment zurück. Wir waren beide müde von der langen Partie. Nichts überstürzen, würden die Endspielgurus wahrscheinlich raten. 58…b5 59.Kf1 Le6 60.Sh1 (60.Ke1 Ke3 61.Kf1 Kxd4 62.Kg2 Kc3 63.Kxh2 Kxb4 macht keinen Unterschied) 60…Ke4 61.Kg2 Kxd4 62.Kxh2 Kc4 63.Kg3 Kxb4 64.Kf4 Kc3. In diesen Varianten funktioniert Sg4+ und Sxh2 nicht, weil er auf g4 schlagen kann und ich nach g8D h1D leider matt bin. Ich muss den Bauern auf h2 mit dem König abholen und es ist sehr fraglich, ob Weiß König und Springer rechtzeitig gegen die beiden vom schwarzen König unterstützten Bauern koordinieren kann. Jetzt ist alles wieder im Gleichgewicht.
59.Sg4+ Kxd4 60.Sxh2 Kc4 61.Kd2 Kxb4 62.Sg4 Kc5 63.Sf6 Le6 64.g8D Lxg8 65.Sxg8 b5
Remis.
Und beide Mannschaften stoben in alle Himmelsrichtungen davon.
11 Kommentare
„Klaus hatte mit dem 1. Brett eine harte Nuss. Nachdem sein Gegner schon eine Gewinnstellung auf dem Brett hatte, fand dieser jedoch nicht die richtige Fortsetzung: 4:1 für uns.“ …steht bei Euch auf der Homepage!….’Klaus Bischoff‘ in Greifswald??! Nein, der Herr Köpcke bei seinem Sieg gegen Ksieski…Ich vermisse hier im rauhen Westen das Untertreiben!
Glückwunsch zum Sieg!
Und einen Bilderbuchzug wie Sh1 verdirbt man gerne mit dem nächsten Schwarzbuchzug wie Ke1, aber es ist ja verdientermaßen noch zur Punkteteilung gekommen.
Einige Bemerkungen:
a) 47….Kg4 ist keine echte Alternative – nach etwa 48. Sd3 g5 49. hg hg 50. Se5+ nebst f3 hat Weiß einfach Remis.
b) In der Variante 58….b5 ist Weiß in der Tat nach 65, Sg3 b4 66. Ke3 b3 67. Kd2 Kb4 68. Se2 b2 69, Kc2 Ka3 70. Sc3 Lg8 verloren.
c) Meine Partie hat sich noch etwas länger hingequält – insofern ist das „sofortige Davonstieben“ doch etwas frei interpretiert….
@etez: Schade, dass du nicht dabei warst…
@rank zero: Wir haben bei b) gestern Abend auch nichts rechtes mehr gefunden. Und zu c): Insgesamt war es eine seltsame Vorstellung, sechzehn Leute treffen sich in diesem stalinistischen Kulturhaus out of nowhere, um Schach zu spielen und danach geht es wieder nach Berlin, nach Stettin, nach Köln, nach Greifswald, nach Lund. Beim Go spielen sie ihre Liga konsequenterweise direkt auf dem Server…
@ Stefan zu c) „out of nowhere“ ist für Rüdersdorf viel. etwas übertrieben! Da ich mal annehme, das ihr dort im Kulturhaus gespielt habt; da war ich vor 4 Jahren mal zum Turnier und so schlimm ist Rüdersdorf im Allgemeinen und die Spielstätte im Besonderen nun auch nicht! Im Ãœbrigen gibt es solche Häuser überall im Osten, wen wundert’s: In Wittenberge steht auch so ein Teil, da ist einmal im Jahr Schnellschach ; hat doch was mit Geschichte und Vergangenheit usw…
Immerhin sind Micke, Axel, Ulli und ich noch zwischendurch zu meiner Wohnung gefahren – wenn auch nur zur Gepäckaufnahme auf dem Weg nach Tegel. Aber dafür gab es ja das Teambuilding am Freitag und Samstag, wo leider einer fehlte ;-).
Am Sonntag war auch besonders trostloses Wetter in Rüdersdorf. Bei Sonnenschein, gemeinsamer Anreise per Rad und einer kleinen Kanupartie hinterher sähe alles viel freundlicher aus.
Gerade mal wieder in alten Artikeln geschmökert, dabei fiel mir dies hier auf:
Das mit dem »deutschen Rest« hat Rüdersdorf nun korrigiert. Inzwischen sind in der OL Nord Ost die Bretter 1-10 mit polnischen Spielern besetzt. :-)
Die Hauptsache ist doch, dass der Verein sich nicht durch Unterschlagung von Landessportbundbeiträgen finanziert.
Klingt nach einem Fingerzeig eif einen inzwischen nicht mehr existierenden Verein aus MV. ;-)
Letzten Endes haben die (bzw. der) Verantwortliche(n) des Vereines die Quittung bekommen. Genaugenommen wurden die Gelder nicht dem LSB vorenthalten. Das hätten sie nur tun können, wenn sie denn dort Mitglied gewesen wären. Das war wohl das eigentliche Problem.
So wie Hartplatzhelds Kommentar geschrieben ist, könnte man fast meinen, es wäre vergleichsweise ok, wenn eine rein polnische Oberligamannschaft durch Unterschlagung anderer Gelder (z.B. durch Zweckentfremdung von Nachwuchsfördermitteln) finanziert würde ;-).
Wieso Zweckentfremdung? Es sind doch immerhin drei U20-Spieler unter den ersten 9 der Rangliste :-)