Spiele Schach mit dem Tod

Das große graue Pferd des Ritters hebt den Kopf und wiehert. Antonius Block dreht sich um.

Hinter seinem Rücken steht ein dunkel gekleideter Mann. Sein Gesicht ist sehr bleich und er hält seine Hände in den weiten Falten des Mantels verborgen.

DER RITTER
Wer bist du?
DER TOD
Ich bin der Tod.
DER RITTER
Kommst du, um mich zu holen?
DER TOD
Ich bin schon lange an deiner Seite gegangen.
DER RITTER
Das weiß ich.
DER TOD
Bist du bereit?
DER RITTER
Mein Körper ist ängstlich, ich selbst bin es nicht.
DER TOD
Na ja, das ist ja nichts, wofür man sich schämen muss.

Der Ritter ist aufgestanden, er friert. Der Tod öffnet seinen Mantel, um ihn um die Schultern des Ritters zu legen.

DER RITTER
Warte einen Augenblick.
DER TOD
Das sagt ihr alle. Aber ich gewähre keinen Aufschub.
DER RITTER
Du spielst doch Schach, nicht wahr?

Ein Schimmer von Interesse glimmt in den Augen des Todes auf.

DER TOD
Woher weißt du das?
DER RITTER
Ach, ich habe es wohl in den Malereien gesehen und in den Liedern gehört.
DER TOD
Ja, ich bin wirklich ein ziemlich geschickter Schachspieler.
DER RITTER
Du kannst doch nicht geschickter als ich sein.

Er sucht in seiner großen Tasche, die er neben sich hat und holt ein kleines Schachspiel heraus, setzt es vorsichtig herunter und beginnt die Figuren aufzustellen.

DER TOD
Warum willst du mit mir Schach spielen?
DER RITTER
Das ist meine Sache.
DER TOD
Da hast du recht.
DER RITTER
Unter der Bedingung, dass ich leben darf, solange ich dir standhalte. Setze ich dich Matt, sprichst du mich frei. Sind wir uns einig?

Der Ritter streckt seine beiden Hände dem Tod entgegen, der ihn mit einem plötzlichen Lächeln ansieht. Der Tod zeigt. Der Ritter öffnet die Hand. Darin liegt ein schwarzer Bauer.

DER RITTER
Du bekommst Schwarz!
DER TOD
So passt es auch am besten, nicht wahr?

Der Ritter und der Tod beugen sich über das Schachspiel. Antonius Block zieht nach einigem Überlegen seinen Königsbauern. Der Tod antwortet mit seinem Königsbauern.


Der Ritter beichtet in einer Kirche, ohne zu bemerken, dass der Tod im Beichtstuhl sitzt.

DER RITTER
Mein Leben war jagend, fahrend, schwatzend, ohne Sinn und Zusammenhang. Es war nichtig. Ich sage das ohne Bitterkeit und Selbstvorwurf, weil ich weiß, dass das Leben von fast jedem Menschen so beschaffen ist. Aber meinen Aufschub will ich wenigstens zu einer sinnvollen Tat nutzen.
DER TOD
Deshalb spielst du mit dem Tod Schach?
DER RITTER
Er ist stark und ein geschickter Taktiker, aber bis jetzt habe ich noch keine Figur verloren.
DER TOD
Wie wirst du den Tod in dieser Partie überlisten?
DER RITTER
Mit einer Kombination von Läufer und Springer, die er noch nicht entdeckt hat. Im nächsten Zug reiße ich seinen einen Flügel auf.
DER TOD
Das sollte ich mir merken.

Der Tod zeigt einen Augenblick lang sein Gesicht am Gitter des Beichtstuhls und verschwindet auf der Stelle.

DER RITTER
Du bist ein Verräter und du betrügst mich. Aber wir werden uns schon wiedersehen. Und ich werde wohl einen Weg finden.
DER TOD (unsichtbar)
Wir treffen uns beim Wirtshaus. Dort werden wir weiterspielen.

Der Ritter hebt seine Hand und sieht auf den Sonnenstrahl vom kleinen Fenster.

DER RITTER
Das ist meine Hand. Ich kann sie bewegen, das Blut pulsiert darin. Die Sonne steht noch immer hoch am Himmel und ich, Antonius Block, spiele Schach mit dem Tod.


Der Ritter hebt sein Schachspiel auf und trägt es fort zum Strand. Dort ist es still und öde – das Meer ist regungslos.

DER TOD
Ich habe gewartet.
DER RITTER
Verzeihung. Ich wurde ein wenig aufgehalten. Weil ich dir meinen Plan verraten habe, trete ich den Rückzug an. Bitte, du bist am Zug.
DER TOD
Warum siehst du so vergnügt aus?
DER RITTER
Das ist mein Geheimnis.
DER TOD
Selbstverständlich. Jetzt schlage ich deinen Springer.
DER RITTER
Das tatest du recht.
DER TOD
Hast du mich betrogen?
DER RITTER
Gewiss. Du gingst in die Falle. Ich biete dir Schach.
DER TOD
Worüber lachst du?
DER RITTER
Kümmere dich nicht um mein Lachen. Rette lieber deinen König.
DER TOD
Du bist ziemlich übermütig.
DER RITTER
Unser Spiel amüsiert mich.
DER TOD
Du bist am Zug. Beeile dich. Ich habe es ein bisschen eilig.
DER RITTER
Ich verstehe, dass du viel zu besorgen hast, aber unserem Spiel entkommst du nicht. Das darf seine Zeit brauchen.

Der Tod will ihm antworten, erhebt sich aber und beugt sich über das Brett. Der Ritter lächelt ein wenig.

DER TOD
Du hast das Gauklerpaar in der Nacht durch den Wald begleitet. Haben die beiden, die Jof und Mia heißen, einen Sohn?
DER RITTER
Warum fragst du?
DER TOD
Ach nichts.

Das Lächeln des Ritters erlischt. Der Tod betrachtet ihn höhnisch.


Nachtrag (25.10.2025): Schach und Schwedisch — da lag es nahe, sich im Blog mit Das siebente Siegel (1957) von Ingmar Bergman zu beschäftigen. 2006/07 habe ich die Szenen aus dem Film übersetzt, die einen direkten Schachbezug haben. Die drei Teile sind jetzt in diesem Eintrag zusammengefasst.

4 Kommentare

Meister O 8. Dezember 2006

Und schon wieder geht ein „Draft“ dahin, diesmal das zum 14. Juli 2007 (der Film wird ja nebenbei demnächst 50 Jahre).

Ehe wir uns noch einmal doppelte Arbeit machen: Hast Du schon mal geschaut, ob die Partie sinnvoll rekonstruierbar ist? Ich zweifle ja daran, zumal schon die Ausgangsstellung wieder falsch aufgebaut ist – NATÜRLICH ist das Feld h8 WEISS.

Ein weiterer running gag für TKs Open Chess Diary — s. z.B. Nr. 259. 1 October 2004: The King on the wrong square mafia und viele andere Posts.

Meister O 8. Dezember 2006

Ach ja, die Gießener haben auf „Chess in the cinema“ eine schöne Bildersammlung zum Film.

admin 8. Dezember 2006

So weit bin ich mit der Übersetzung noch nicht. Aber anscheinend wurde eine offene Eröffnung gespielt. Und man weiß natürlich nicht genau, ob „Weiße Dame – weißes Feld“ auch schon im Mittelalter vorgeschrieben war. Vielleicht war Antonius auch ein bisschen aufgeregt und einfach froh, sein Gegenüber ans Brett bekommen zu haben, und hat darauf nicht geachtet?

Meister O 8. Dezember 2006

Bem Ritter ist das verständlich, aber beim dunklen Meister?

Etwas schwierig wird es spätestens bei der Eingabe, wenn Antonius dem Tod mitten in der Partie sein Zugrecht abtritt. Aber vermutlich verzweifeln wir schon vorher an der Frage, was die „Kombination mit Läufern und Springern“ sein soll…