So blieb Dolgorow allerdings in peinlicher Ungewißheit, ob sein Geheimnis in der Tat entdeckt sei, oder ob nur zufällige Umstände, halbverstandene Worte oder Äußerungen den Schein einer Entdeckung gegeben hätten. Um nicht durch allzu vielfältiges, ängstliches Fragen Verdacht zu erregen, schlug er den Gästen eine Partie Schach vor. Ludwig, der das Spiel nur sehr wenig kannte, entschuldigte sich; Bernhard nahm den Vorschlag anscheinend sehr gern an. Der Kammerdiener brachte ein Schachbrett, sie setzten sich zum Spiel; Ludwig blieb im Zimmer und machte den Zuschauer.
»Ich habe einen gefährlichen Gegner,« bemerkte der Graf nach den ersten Zügen; »es wird mir Mühe machen, mich zu verteidigen.« – »Ihr Urteil nach so wenigen Zügen, Herr Graf, beweist Ihre Überlegenheit«, antwortete Bernhard höflich. Sie spielten indessen fort und schienen, obwohl beide ihre Gedanken innerlich auf etwas ganz anderes gerichtet hatten, doch mit dem größten Anteil bei dem Spiel zu sein. Bernhard besaß Kraft des Geistes genug, um sich zur Aufmerksamkeit zu zwingen und nicht durch Zerstreutheit zu verraten, daß ihm der Sieg im Spiele in diesem Augenblicke das Gleichgültigste auf der Erde sei.
Ludwig Rellstab: 1812 – ein historischer Roman (1834)