Matthias Langwald, der Inhaber des Forums Schachfeld, weist mich auf eine Diskussion hin, die durch den nachfolgenden Beitrag des Nutzers Kiffing angestoßen worden ist. Auch wenn ich nicht alles teile, was darin steht, komme ich Matthias‘ Bitte um Abdruck gern nach:
In ihrem Bestreben, alles, was uns mit der Zeit lieb und teuer geworden ist, zu vernichten und gewachsene Strukturen zu zerstören, will die Fide eine Null-Toleranzgrenze fürs Zu-spät-Kommen einführen. Bisher war es ja Usus, daß man bis zu einer Stunde zu spät zu seiner Partie kommen darf und nicht verliert. Man spielt dann eben nur mit weniger Bedenkzeit weiter. Doch damit soll bald Schluß sein. Durch die bald eingeführte Null-Toleranzgrenze wird jeder nun seine Partie verlieren, wenn er auch nur eine Minute zu spät zu seiner Partie erscheint. Ein Horrorszenario.
Das Traurige daran ist, daß damit die Fide dem Zeitgeist folgt. Denn zunehmend greift man auf der Welt auf Elemente der Strafe und der Repression zurück, auch wenn sich über Jahrhunderte gewachsene Strukturen gebildet haben und man mit Augenmaß, Toleranz und Lockerheit agiert hat. Mit dem Dopingsystem ist es genau das Gleiche.
Für mich geht durch diese neue Regel ein Stück an Lebensqualität verloren. Bisher habe ich das immer so gehandhabt, daß ich sonntags, wenn ich ein Spiel habe, gemütlich aufstehe, frühstücke, mich fertigmache und dann irgendwann gemütlich, ohne jeden Zeitdruck, zu meinem Verein gehe, um dort zu spielen. Wenn ich dabei 20 Minuten zu spät kam, war das kein Problem, denn ich schöpfe ohnehin nie meine volle Bedenkzeit aus. So konnte ich mich gemütlich ans Brett setzen, meinen Gegner begrüßen, meine Züge ausführen und später gemütlich eine Cola trinken. Das Schöne an einer Schachpartie ist ja, daß man auch während der Ausführung seines Sports ganz entspannt sein und das dolce vita genießen kann. Das unterscheidet uns von anderen Sportarten und auch das macht Schach so einzigartig.
In Zukunft dagegen wird von mir erwartet, daß ich sonntags aus dem Bett springe, wenn der Wecker klingelt und ich mich, infernalischem Zeitdruck ausgesetzt, völlig abgehetzt zu meinem Verein begeben muß. So geht ein Stück Lebensqualität der Schachwelt verloren. Durch die zunehmende Militarisierung des Schachsports wird der freie und demokratische Charakter unseres edlen Sports vergewaltigt. Spießbürger und Betonköpfe in der Fide haben das Ruder übernommen. Leidtragende sind all die freiheitsliebenden Schachspieler, für die ihr Sport kein Zwang, sondern Vergnügen ist.
Ich bin jedenfalls empört und denke, daß eine Revolution erforderlich ist, um den Schachsport zu retten. Iljumschinov, und all die, die ähnlich denken wie er, müssen weg!
5 Kommentare
ohne die ganze diskussion verfolgt und nachgelesen zu haben, finde ich die regelung, dass jedes zuspätkommen mit partieverlust bestraft wird nicht wirklich sinnvoll. was ist dann bei einem mannschaftskampf wenn man als gastmannschaft weit gefahren ist und der gegner 5 minuten zu spät kommt? ich habe zwar den punkt, gut für die mannschaft, aber auch nicht mehr. ich bin früh aufgestanden um schach zu spielen und nicht um einen kampflosen punkt zu holen und zu warten bis der rest fertig ist! ich denke es ist doch strafe genug, wenn man dann weniger bedenkzeit hat, aber gleich dann zu verlieren, bestraft nicht nur den zuspätkommer….das einzige was ich vertretbar fände, wär das zu spätkommen mit einer zusätztlichen zeitstrafe zu versehen….
Sehe ich genauso wie Markus.
Welchen Nutzen erwarten sich die Erarbeiter von der Regelung?
Meine Meinung habe ich auf dem Schachblog schon dargelegt. Ich kann und will auch nicht verstehen, dass sich 16 Menschen zu einem Schach“kampf“ verabreden und davon einer der Meinung ist, das ihm seine „persönliche Freiheit“ gebietet „irgendwann“, nur nicht pünktlich zu erscheinen. Wenn ich eine Verabredung treffe, sei es zum Sport oder meinetwegen auch zum Skat, zum Mensch-ärger-dich nicht, zum Kinobesuch oder was auch immer, dann ist es doch wohl logisch, dass man sich an die verabredete Zeit hält?
Was passiert wenn ganz demokratisch „gleiches Recht für alle“ gilt und eben auch alle anderen Spieler einschl. ML, Schiri und der Organisatorn (ja, die „Bekloppten“, die ganz freiwillig ihre Zeit opfern, damit andere gute bzw. überhaupt Spielbedingungen finden!) irgendwann erscheinen?
Hat jemand von den „Freiheitsaposteln“ schon mal Mannschaftsleiteraufgaben wahrnehmen müssen/dürfen und saß vor einem halb ausgefülltem Spielbogen, weil er nicht wusste ob Spieler xy nur ausgiebig zu Hause frühstückt – wie beim letzten Punktspiel – oder tatsächlich in letzter Minute krank geworden ist – wie beim vorletzten Punktspiel? Und wenn ja, fand er das Gefühl wirklich so toll?
Mein Fazit: Null Toleranz ist insbesondere in unteren Ligen etwas zu hart, 15 min, max. 30 min wäre ok. Wie überall muss es natürlich Ausnahmeregeln für Ausnahmesituationen geben. Wer aber einfach bei seiner „persönliche Freiheit“ keinerlei Abstriche machen will – also für mich nicht teamfähig ist – sollte vielleicht Golf spielen gehen. Das kann man nämlich auch allein machen.
Wer auf dem Weg zum Auswärtsspiel in einen Stau gerät und deshalb eine Minute zu spät kommt, ist durchaus kein „Freiheitsapostel“, der seine eigene „persönlche Freiheit“ über irgend etwas anderes stellt.
Wenn ich mich privat mit irgendjemand verabrede, verweigert der mir die Öffnung seiner Haustür nicht, nur weil ich mich um eine Minute verspäte.
„Ausnahmeregeln für Ausnahmesituationen“: wie soll das praktiziert werden? Wie soll der Schiedsrichter kontrollieren, ob die Verspätung auf einem Stau oder darauf beruht, dass ein Spieler mal wieder nicht rechtzeitig aus dem Bett gefunden hat?
Ich verweise gern auf die entsprechende Diskussion beim Schachblogger:
http://schach.twoday.net/stories/5547774/