Metaphern am Limit

Natürlich ist es ein Spiel, das haben Sie mir doch selbst so erklärt. Dieser ganze Prozess ist nichts anderes als ein Schachspiel mit lebenden Figuren. Die Staatsanwältin, diese Britta Gerland, das ist der schwarze König, der besiegt werden muss. Frau Dr. von Kleist und Sie, Sie sind meine Leichtfiguren, die beiden weißen Läufer, die den Angriff vorbereiten. Endgültig matt gesetzt werden muss die Gerland dann allerdings durch den Richter, die mächtigste Figur im Spiel, die weiße Dame.“
Marc konnte kaum glauben, was er da hörte. Er suchte im Gesicht seines Mandanten nach einem Hinweis, dass er sich einen Scherz mit ihm erlaubte, aber von Neuendorff schien es tatsächlich ernst zu meinen. „Und Frau Geisler, welche Rolle spielt die?“, fragte Marc. Haben Sie sich eigentlich mal überlegt, dass die Frau jetzt erledigt ist?“
Von Neuendorff machte eine abfällige Handbewegung. „Die Geisler ist ein unbedeutendes Bauernopfer“, sagte er. „Der Verlust ist zu verschmerzen.“
Marc war sich fast sicher: Hasso von Neuendorff war wahnsinnig. „Ein Bauernopfer, so, so. Bleibt nur eine Frage: Welche Figur sind Sie in diesem Spiel? Nein, lassen Sie mich raten. Sie sind der weiße König, habe ich Recht?“
Hasso von Neuendorff bedachte ihn mit einem verwunderten Gesichtsausdruck. „Sie haben es noch immer nicht begriffen, oder? Ich bin überhaupt keine Figur. Ich bin der Spieler.

Andreas Hoppert: Zug um Zug (2006)

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