Die Frage, inwiefern Fähigkeiten eines Menschen angeboren oder erworben sind bzw. werden können, ist eine alte und zugleich weitestgehend ungeklärte Frage der Humanwissenschaften. Die beiden Extremstandpunkte, der Mensch sei entweder vollständig eine strukturlose Tabula Rasa oder aber ein rein genetisches Ablaufprogramm, werden nicht (mehr) ernsthaft vertreten.
Bernhard Pietsch über die Polgar-Schwestern und ihren Vater.
4 Kommentare
Vorab eine Richtigstellung:
„Zsuzsanna wurde 1991, mit 21 Jahren, die erste Frau, die regulär den („Männer-„)Großmeistertitel erhielt.“ Wenn man kurz im Internet recherchiert: 1976 bekamen Nona Gaprindaschwili mit 35 Jahren und 1984 Maia Tschiburdanidse mit immerhin 23 Jahren (und damit war sie damals nur 2 Jahre älter als ‚Zsuzsa‘ Polgar bei ihrer Titel-Erreichung 1991) den Titel.
Und ich weiß nicht, ob es, wie im Artikel beschrieben, für Mädchen sooo ungewöhnlich ist, einen „Killerinstinkt“ (man hört das heutzutage im Rahmen der Political Correctness nicht gerne; aber es stimmt beim Schach 100%ig) zu haben. Ich selbst, gebe es ja zu, spiele ungern gegen Frauen – zum einen ist der Score wirklich schlecht und zum Anderen: die, gegen die ich manchmal angetreten bin, hatten alle einen „Killerinstinkt“; das ist immer harte Arbeit! 2002 spielte ich in Görlitz in der 1. Runde gegen Herrn Rößler (und gewann); in Runde 5 bekam ich seine Frau und die revanchierte sich dann im Namen der Familie ziemlich beeindruckend ;-)
@ElNino: Ich glaube, mit „regulär“ ist gemeint, dass sie den Titel bekommen hat, weil sie die Männer-GM-Normen erfüllt und nicht den Titel als Frauen-WM zuerkannt bekommen hat. Aber ohne Gewähr.
Gaprindaschwili hat den GM-Titel (quasi ehrenhalber) verliehen bekommen. Der engl. Wikipedia-Eintrag über sie zitiert dazu einen damaligen Artikel von Pal Benkö, der anführte daß ihr nur noch zwei oder drei Partieerfolge fehlten um die Norm zu erfüllen.
Am Susan Polgar-Blog war vor rund ein oder zwei Jahren ein Interview mit G., wo sie seltsame Ansichten über die prinzipiellen Fähigkeiten von Frauen im Schach im Vergleich zu Männern vertrat. Das klang wie aus den 1950er Jahren. Es hat mich gewundert daß selbst jemand wie sie, die es eigentlich bewiesen hat, nicht an gleiche Voraussetzungen glaubt.
Soweit ich momentan im Internet finde, ist Tschibus GM-Titel auch „awarded“ worden. – War vermutlich „gut gemeint“, aber heute sieht man die Schattenseiten, weil dadurch eben nicht dieselbe Leistung dokumentiert wurde wie wenn an Mann die Titelnormen erfüllt hat.
Die derzeitigen speziellen Frauen-Titel stehen in ähnlichem Sinn in Diskussion, ich zweifle auch daran daß sie etwas positives bewirken. Es gibt ja ohnehin auch FM und CM, d.h. Titel an sich sind ja schon ab ca. 2000 Elo erhältlich, wenn ich nicht irre… Kenne mich aber zugegebenermaßen mit Details dieses Themas nicht aus. Vielleicht spricht doch manches dafür.
G. ist an dieser Stelle ohnehin nicht frei von Interessenskonflikten. Sie ist auch eben auch im Frauenfördergeschäft involviert und dürfte ein weniges mit daran verdienen. Der Spagat „Frauen sind im Prinzip natürlich genauso begabt für Schach, aber trotzdem extrem benachteiligt und müssen massiv speziell gefördert werden“ wird ja inzwischen von den finanziell Interessierten (von A wie Allen FrauentrainerInnen bis Z wie Zsuszasusan) mit mindestens so ausgefeilten Argumenten wie die unbefleckte Empfängnis vertreten.