Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück = Beim Durchblättern alter Schachzeitungen (9) = Hartplatzhelden (3)

Zur Einführung der nächsten Aufgabe übergebe ich zuerst einmal an Boris Turows Aufsatz Wladimir Iljitsch Lenin liebte das Schachspiel (Schach 7/1977):

Das Interesse Lenins blieb nicht auf das praktische Spiel beschränkt. Im Jahr 1923, als er bereits erkrankt war, bat er um einige Bücher und Zeitschriften, darunter auch das Journal „Schach“, das gerade zu erscheinen begann. Lenin liebte auch Schachprobleme und Studien und löste sie sehr gern. Die folgende Aufgabe stammt von P. Lepeschinski. Lenin fand die Lösung nach fünf Minuten, ohne dass er einen Stein rückte.

lenin
kbR5/8/K2p2p1/5pP1/2p2P2/p1P5/3P4/1B6 w – – 0 1

Aber Achtung! Wer hier vorschnell ist und behauptet, die Aufgabe in weniger als fünf Minuten gelöst zu haben, will doch nicht etwa behaupten, er sei schlauer als der Genosse Lenin? Also überlegt in Ruhe und wartet, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um die Lösung zu posten.

Matt in drei Zügen.

PS: Es handelt sich nicht um eine Aufgabe, die der Genosse Stalin gelöst hat, sonst würde sie hier nicht zur Diskussion stehen. Aufgaben, die der Genosse Stalin gelöst hat, konnte natürlich nur der Genosse Stalin lösen.

11 Kommentare

alex 10. September 2009

nett. endlich mal eine aufgabe für mich. 5 minuten habe ich auch gebraucht.

1. La2 d5 2. d4 cd 3. Ld5#:

Stefan 10. September 2009

Ich finde das En-Passant-Motiv auch hübsch. Die Aufgabe war auch für dich gedacht („Hartplatzhelden“). Und du bist früh genug aufgestanden!

Werner Berger 10. September 2009

Lenin war ein schwacher Spieler, ich habe die Aufgabe nach weniger als 30 Sekunden gelöst.
Man könnte noch erwähnen, dass 2.d3 (2….cxd3? 3.Lxd5 matt) an 2….d4 scheitert. Block des schwarzen d-Bauern.

MiBu 10. September 2009

Da die Aufgabe schon gelöst ist – ich habe etwa so viele Zeit wie WernerBerger gebraucht – kann nur ein sinnfreier politischer Kommentar folgen: Auf den Wahlplakaten der MLPD, die in unserem Ort hängen, sind zwar Marx, Lenin und Che Guevera abgebildet, aber der freie Platz wurde mit den üblichen Parolen von vorvorgestern zugemüllt, statt was Sinniges über „Lenins 100 Lieblingsstudien“ oder Che Guevaras „Katalanisch leicht gemacht“ zu schreiben…

rank zero 10. September 2009

Der Gerechtigkeit halber sollte man hinzufügen, dass das geniale Hirn von Iljitsch nach dem dritten Schlaganfall schon schwer beeinträchtigt war und im selbst das Sprechen äußerst schwer fiel.

ElNino 10. September 2009

Hmmmm…: Um 6.13 Uhr war der Öffentliche Dienst noch nicht „auf der Matte“:-(

Mynona Zwo 10. September 2009

Ohne das verifizieren zu können, vermute ich stark, dass sich Lenin nie selbst als guten Schachspieler bezeichnet hat (das dürfte ein eher unbedeutendes Mosaiksteinchen im ausufernden Personenkult gewesen sein). Für einen (noch dazu schwer kranken) Hobby-Spieler stellt m.E. die Lösung der obigen Aufgabe eine durchaus beachtliche Leistung dar.
(Nebenbei bemerkt, hätte ich mir zu DDR-Zeiten ein paar schachinteressierte Leute am Ruder gewünscht. Dann wäre es womöglich nicht zu jenen unsäglichen sportpolitischen Beschlüssen gekommen.)

rank zero 10. September 2009

Inzwischen bin ich angesichts der Reiselust unserer Bundeskader zu Sinnlos-Turnieren schon so komisch drauf, dass ich die sportpolitischen Beschlüsse der DDR in Sachen Schach für gar nicht so abwegig halte – sie hatten allerdings das schwere Manko, das nicht auch Uwe Bönsch mit einem Totalverbot belegt wurde.

Stefan 10. September 2009

Naja, zur Schacholympiade hätte man schon antreten müssen, finde ich. Und Knaak hätte neben Uhlmann vielleicht den Sprung in die Weltspitze schaffen können.

Unterlag Uwe Bönsch denn nicht diesen Beschränkungen? Das wäre mir neu.

Rank zero 9. Dezember 2009

@Stefan: In den 80er Jahren gab es Ausnahmegenehmigungen für Uhlmann, Bönsch, Vogt und Knaak, von denen effektiv aber nur noch der jüngste der vier, Funktionärssohn Bönsch, profitierte – die anderen waren schon zu alt, um dies noch signifikant für Entwicklungssprünge zu nutzen.

@Mynona: Die sportpolitischen Beschlüsse haben aus meiner Sicht weniger mit schachinteressiert oder nicht zu tun (davon abgesehen, sagt es bei einem Massenmörder wie Lenin sein Schachinteresse ungefähr so viel aus wie eine vegetarische Ernährung über Hitler), sondern mit einer puren Olympiafixierung der Verantwortlichen. Damit liegt Manfred Ewald auf einer Linie mit seinen aktuellen Nachfolgern, die aufgrund derselben Wahnvorstellungen Bedenkzeitverkürzungen, Dopingmanie und Nulltoleranz verantworten.

Mynona Zwo 9. Dezember 2009

Soweit ich das damals mitbekommen habe, betrafen die Ausnahmeregelungen Auftritte bei irgendwelchen Pressefesten im NSW-Gebiet, was für gelernte DDR-Bürger mit den bekannten Reisebeschränkungen natürlich ein tolles Privileg war, aber einen eher geringen schachlichen Effekt hatte. Außerdem gab es für einen Innercircle von vier, fünf (vielleicht auch mehr?) Leuten vergleichsweise günstige Bedingungen zur Verknüpfung von Schach und Beruf (in der Reihenfolge!). Um so schlimmer, wie hier Potential verschleudert wurde angesichts der verbotenen Teilnahme an Schacholympiaden und Weltmeisterschaften. Dass ein DDR-Meistertitel das höchste erreichbare Ziel war, hatte andererseits ein sehr hohes Niveau bei den Landesmeisterschaften (als Rundenturniere!) zur Folge, nach dem man sich heutzutage vergeblich sehnt (jedenfalls bei den Frauen).
Zu Uwe Bönsch kann ich nur sagen, dass ich damals nicht das Gefühl hatte, dass er gegenüber Uhlmann, Knaak und Vogt priviligiert wäre, wenn dann in Hinsicht auf (die ohnehin spärlichen) Turnierteilnahmen eher gegenüber Jüngeren wie Grünberg, Pähtz oder Tischbierek. Aber kann man ihm das wirklich verdenken (und wäre das heutzutage anders)? Abgesehen davon war der ‚Sohn‘-Status ja nun nicht nur von Vorteil, sondern durchaus auch eine Last. An seiner schachlichen Klasse gab es jedenfalls keinerlei Zweifel, und mir waren nebenbei bemerkt damals schon seine ausgezeichneten Schachlehrer-Qualitäten aufgefallen.

1. PS: Als es Ende der 80er Jahre zu einem Aufweichen der Restriktionen kam und 1988 eine DDR-Männermannchaft zur Schacholympiade nach Saloniki durfte, reichte ob dieser extremen Benachteiligung die Frauen-Nationalmannschaft geschlossen eine Eingabe ein. Das war damals eine ziemlich couragierte Aktion, die längst im Orkus der Geschichte verschwunden ist und wahrscheinlich auch heute nur ein gleichgültiges Achselzucken hervorrufen würde angesichts der ‚Subventionsruine Frauenschach‘.

2. PS: Ãœber die aktuellen Auswüchse der Olympiafixierung müssen wir nicht reden. Da bewegen wir uns auf einer Wellenlänge.

3. PS: ‚Massenmörder Lenin‘ ist ein ganz weites Feld. Bei allen mir erst nach und nach bekannt gewordenen schockierenden historischen Details würde ich bei Lenin doch eine differenziertere Sicht einfordern als bei Hitler, Stalin, Mao, Pol Pot etc.

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