Gegenüber

Walter fand Gehirnjogging sehr wichtig. Er hatte immer ein Schachspiel aufgebaut im Wohnzimmer stehen, machte einen Zug, dann setzte er sich auf den gegenüberliegenden Platz und machte da einen Zug. „So wird die Psyche mit sich selbst konfrontiert. Es gibt einen Dialog. Der Geist muss sich angesprochen fühlen, Vesta, sonst verkümmert er. Er verwandelt sich in einen trüben Morast.“ Ich musste an den Brunnen in der Shopping Mall von Monolith denken, in dem das gechlorte Wasser immer wieder hochgepumpt wurde.

— Ottessa Moshfegh: Der Tod in ihren Händen. In der Art von Walter Guhl habe ich als Kind jahrelang Schach gespielt, allerdings nicht aus übergeordneten Gründen, sondern weil ich kaum Spielpartner hatte. Die psychische Verfasstheit der Protagonisten dieses Romans bleibt mir aber hoffentlich erspart. Ein beunruhigendes Buch, großartige Autorin.

3 Kommentare

alex 10. August 2022

Ich habe das nie verstanden wie man gegen sich selbst Schach spielen kann, habe das als Spleen abgetan. Das ist doch totlangweilig, da weiß man doch immer genau, was der andere, also man selbst, vor hat. Man müsste quasi vergessen, was man gerade gedacht hat als man noch der andere Spieler war, dann könnte es klappen. Normalerweise sollte da am Ende ein Remis rauskommen, oder?

Stefan 21. August 2022

Das ist eine interessante Frage. Ich habe mich immer bemüht, für beide Seiten die optimalen Züge zu machen. Das ist letztlich ja auch das, was beim Rechnen passiert — man versucht, die Stellung nach vorn zu rechnen, und zwar mit der Maßgabe, dass auch der Gegner die besten Züge macht. Das Spielen auf Tricks („Vielleicht sieht er meine Drohung nicht“) muss man sich abgewöhnen, wenn man Fortschritte machen will.

alex 22. August 2022

Danke. Tricks habe ich jetzt nicht unbedingt gemeint. Eher Pläne, also langfristiger angelegte Züge, Strategien. Wenn ich weiß, was der andere in den nächsten 5 bis 10 Zügen vorhat, dann werde ich das zu verhindern wissen. Wie gesagt dieser völlige Perspektivenwechsel nach jedem Halbzug ist für mich kaum vorstellbar. Für einen Computer ist das kein Problem, aber für uns Menschen bedeutet das letztendlich sein eigenes Ich aufzugeben. Wenn ich so versuchen würde zu spielen, käme bestimmt nur Mittelmaß bei raus, mir fehlt da der Agon, der Wettkampfsgeist. Als würden sich zwei pazifistische Armeen gegenüberstehen.

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