Schach oder Nicht-Schach, das ist hier die Frage!

Neulich war es wieder einmal soweit: Anlässlich einer frohen Festivität – einer Aufstiegsfeier mit paralleler schachlicher Betätigung – wurden neben den bekannten Holz- und Kunststoff-Klötzen auch die chinesischen und japanischen Schachfiguren ausgepackt und Interessierten zum Zeitvertreib angeboten. Und wieder einmal zeigten einzelne Schachspieler ihre kulturelle Kurzsichtigkeit mit Kommentaren wie

komisches asiatisches Brettspiel

oder

hat in einem Schach-Klub nichts zu suchen!

Offenbar werden von etlichen Mitgliedern der Schachgemeinschaft, die viele anerkannte Spielarten wie Fernschach, Computerschach, Blitzschach, Tandem oder das Stiefkind Problemschach hervorgebracht hat, nicht nur Studien (obgleich von Trainern zur Steigerung der Spielstärke wärmstens empfohlen!) abgelehnt; nein, auch alles, was ein wenig fremdartig aussieht, kann nichts mit Schach zu tun haben. Da akzeptiert man schon eher Backgammon, Poker, Bridge oder Skat als dem Schachspieler gut zu Gesicht stehende Alternativbeschäftigungen.

Nun soll hier keine Werbung für das sicher fordernde Go – das Denkspiel überhaupt, wie sogar schon Schachweltmeister meinten – noch für das sicher ebenfalls schöne MahJongg (das meistgespielte Spiel der Welt? Trotz der verwendeten „Ziegel“ eigentlich eher ein Kartenspiel mit Elementen von Bridge, Rommé und Poker) gemacht werden. Es soll lediglich für die asiatischen Brüder unseres „westlichen“ Schachs geworben werden, deren enge Verwandtschaft sich all jenen offenbart, die eine kleine Zeitreise zurück ans Ende des 15. Jahrhunderts nicht scheuen: Das damals von den Arabern in Europa verbreitete Schachspiel hat nach den Erkenntnissen der Historiker wie das chinesische Schach XiangQi, das japanische Schach Shogi und das thailändische Schach Makruk (wobei diese Aufzählung sicher noch nicht komplett ist!) seine Wurzeln im indischen Chaturanga. Trotz der zum Teil über mehr als 1000 Jahre unterschiedlichen Entwicklung und Anpassung an regionale Besonderheiten ist diese Verwandtschaft zum einen im Grundziel der Spiele (das Besiegen einer gleich starken gegnerischen Armee durch Auslöschung, Lahmlegung oder die Gefangennahme des Anführers) zu erkennen, zum anderen zum Teil in den Figuren, von denen sich einige in allen Spielarten identisch bewegen.

Gerade letzteres macht das Erlernen der Grundregeln für den interessierten Schachspieler relativ einfach – die wirkliche Herausforderung besteht in der Folge darin, die unterschiedlichen strategischen Ziele, taktischen Feinheiten und auch die Philosophie hinter den Spielen meistern zu lernen. Dies macht die asiatischen Spielarten zu einer echten und erfolgversprechenden Alternative, zumal viele der neu gewonnenen Ideen und und Erfahrungen zu einer Veränderung (im Idealfall natürlich zu einer Verbesserung!) des „westlichen“ Schachspiels führen.

Reinhard Knab, Stoßzahn Franken. Dieser Gastartikel wurde zuerst im Chinaschach-Forum veröffentlicht.

6 Kommentare

Bonaventura 21. August 2009

Mir hat mal IM Dueball, der sowohl im Schach als auch im Go und beim Bridge Meisterstärke hatte, den schönen Satz gesagt: »Weißt Du, es gibt zwei Sorten von Spielen: Das eine ist Go, und der Rest ist Quatsch.«

Stefan 21. August 2009

Es gibt sicher bei manchen, nicht allen, Go-Spielern einen gewissen Hochmut gegenüber dem Schach, habe ich schon mehrfach erlebt. Zu Go kann ich vernünftig nichts sagen, ich verstehe dieses Spiel nicht, es überfordert mich vollkommen.

Krigi 22. August 2009

XiangQi + Shogi Kenntnisse?!
Hallo Schachblätter-Leser,
wie weit sind denn die Regeln von XiangQi und Shogi bei euch verbreitet, nachdem Stefan ja doch auch das eine oder andere fremdartige Problem serviert?
Ist das Verhältnis der deutschen Wertungszahllisten von 236.000 (DSB) zu 70 (DXB) zu 51 (Shogi) repräsentativ, oder verhindern eher äußere Umstände (kein lokaler Spielpartner; Terminüberschneidungen, fehlende Infos; die natürliche Schüchternheit des Schach-Spielers *g*) ein vielleicht ja doch schon mal geplantes „Fremdgehen“?!
Beste Grüsse,
Krigi aka Reinhard

MiBu 22. August 2009

Ich habe von XiangQi und Shogi keine (Regel-)Kenntnisse. Vielleicht wäre es interessant, noch ein komplexes Spiel zu erlernen, aber ohne adäquate(n) Spielpartner dürfte es ein mühsames Unterfangen sein. (Von Go mit seiner ganz anderen strategischen Grundausrichtung mal ganz zu schweigen.)
Ãœbrigens ist die Zahl „236.000“ auf der Schachbundseite zur DWZ irreführend. Der DSB hat etwas unter 100.000 Mitglieder. Soweit deutlich mehr Spieler in der Datenbank geführt werden, handelt es sich um Spieler, die bei DWZ-gewerteten Turnieren wie etwa Open mit internationaler Besetzung mitgespielt haben, aber nicht Mitglied eines deutschen Schachvereins sind.

Stefan 23. August 2009

Ich kenne mindestens fünf Leute aus Greifswald, die (auch) Xiangqi spielen können. Wenn wir für die ein Turnier organisieren, steigern wir die Wertungs-Liste erheblich :D Für Shogi gilt in etwa dasselbe.

Letztlich aber eine Milchmädchenrechnung, die Zahl der Schachspieler in Deutschland übersteigt die Zahl der beim DSB organisierten auch um ein Mehrfaches.

SHL 24. August 2009

»Weißt Du, es gibt zwei Sorten von Spielen: Das eine ist Go, und der Rest ist Quatsch.«

Dafür fehlt mir beim Go irgendwie die Variabilität in den Aktionen. Auch wenn ich es durchaus zu schätzen weiß, dass es auch hier Strategie und Taktik gibt, fehlt mir diese Komponente aus dem Schach, dass man einerseits durch einen ungestümen Königsangriff gewinnen kann, andererseits durch Manövrieren Positions- oder Materialvorteil erzielen kann, den man langfristig verwertet.

Im Ãœbirgen gibt es noch unbekanntere Spiele wie Arimaa, die genügend Komplexität aufweisen, um mit Go mitzuhalten.

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