Sind Schachspieler abergläubisch?

Kurz vor der letzten Runde fragte mich Axel nach einem Stift. Ich kenne die Situation. Eine Zeitlang hatte ich zu Punktspielen praktisch nie einen Schreiber dabei und mich immer beim Mannschaftsführer durchgeschlaucht. Irgendwas, irgendein Kugelschreiber. Ich machte damit ganz gute Erfahrungen. Eines Tages war ich aber soweit, dass ich nach einer Gewinnpartie überlegte, womit ich geschrieben hatte und diesen Stift in der nächsten Runde wieder zum Einsatz brachte. Ist das albern? Rational ist es wahrscheinlich nicht, aber immer noch besser, als vor der Partie neben dem Brett einen Berg aus Traubenzuckertabletten, Energy-Drinks und Plüschtieren aufzubauen, finde ich.

Jedenfalls gab ich Axel meinen Stift. Es ist ein guter Stift, sagte ich, er bringt Glück. Ich hatte damit, glaube ich, tatsächlich lange nicht verloren. Ganz sicher war ich mir aber nicht. Vielleicht hätte ich es nicht sagen sollen. Vielleicht hat es Axel zu sehr unter Druck gesetzt. Jetzt mache ich mir deswegen ein bisschen Vorwürfe.

Ich schrieb dann mit einem Bleistift. Nach ungefähr dreißig Zügen hatte ich eine verlorene Stellung. Wir waren beide in rasender Zeitnot. Mein Gegner machte noch Striche, ich legte den Bleistift zur Seite. Ralf schrieb mit und verzog keine Miene, als ich ihn zwischendurch ansah und herausfinden wollte, ob wir die Zeitkontrolle schon geschafft hatten. Wir hatten und als das Blättchen schließlich fiel, stand ein haltbares Endspiel auf dem Brett.

Ich weiß jetzt nicht, welchen Stift ich das nächste Mal nehmen soll.

7 Kommentare

Rank zero 11. November 2008

Jedenfalls nicht den, mit dem Axel derart katastrophal verloren hat. Willst Du einen von mir ;)?

Stefan 11. November 2008

Deine schreiben zu langsam ;D

Rank zero 11. November 2008

Wieso, laut Ralf 14 Züge in weniger als einer Minute – und ich habe bis zum Ende für beide Seiten mitgeschrieben.

Ralf 12. November 2008

Vielleicht solltet ihr die Stifte aus unseren anderen Mannschaften requirieren. Ich empfehle Olegs Stift, mit dem hat er in beiden Ligapartien mit Hilfe eines Damenopfers gewonnen. :-))

Overtro 12. November 2008

Von Magnus Carlsen war gerade zu lesen, dass er nicht abergläubisch ist, aber „Gewinnstifte“ bewusst weiterverwendet. Früher hatte ich so etwas auch mal, aber seitdem ich nicht mehr gewinne …

Mich würde aber interessieren, wie es andere Schachspieler mit diesem Miniaberglauben halten.

Und noch mein Lieblingsbeispiel: Beim 3/4-Finale DDR-EM (AK 17/18) benötigte René Stern unbedingt einen Sieg in der dritten Runde und stand bereits schlechter, als er plötzlich verschwand und später am Brett mit dem Gewinnerpullover aus der ersten Runde wieder auftauchte. Der Sieg wurde eingefahren und mit dem Pullover war dann die Qualifikation auch kein Problem mehr.
Schaffen solche Rituale vielleicht Selbstvertrauen?

Etez 13. November 2008

Rituale gaukeln dem im Universum herumzigeunernden Menschen vor, dass es soetwas wie Kontrolle gäbe. Und wenn man daran glaubt, kann es auch etwas bewirken.

Ich selbst habe im zarten Alter von 10 – 11 Jahren auch Glückskulis gehabt, bin dann aber zu der Erkenntnis gelangt, dass dies abergläubiger Schachsinn (sic) sei und schrieb fortan ohne Glücksstift.

Aber es gibt durchaus auch Stifte, die besser in der Hand liegen, deren Mine auch ohne allzu starken Druck gegen die Durchschläge durchsetzt, weswegen sich mit der Zeit rein vernunftsbedingte Präferenzen entwickelten.

(PS: Bleistiftspäne hingegen sind vergänglicher Natur und dienen niemals dem Führen amtlicher Schachdokumente und sollten insofern nur in Notfällen benutzt werden.)

Ralf 15. November 2008

…also für mich ist es schon ein Glück, wenn ich zur Partie überhaupt einen Kuli dabei habe…. ;-)

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