Premiere

Die gestrige Oberliga-Runde sah gegen Friesen Lichtenberg eine ungewöhnliche Mannschaftsaufstellung. Um die 2. Mannschaft im Spitzenspiel der Landesliga gegen Neukloster II trotz mehrerer Ausfälle möglichst stark aufzustellen, kamen Gordon Zimmermann und Slawomir Gwiazda zu ihrem ersten Oberliga-Einsatz. Und beide rechtfertigten diese Entscheidung. Am Nachmittag sah man einen glückselig strahlenden Slawo durch das Spiellokal laufen. Er hat seine Partie schon kommentiert.

Ellenberg, Ekkehard 2131
Gwiazda, Slawomir 1878
C05 Französisch
Greifswald, 01.03.2009
Partiekommentar: Slawomir Gwiazda

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2

Ich hatte mich tatsächlich im Vorfeld vor allem auf den Tarrasch-Franzosen vorbereitet, da Brett 8 (Krug) und 9 (Ellenberg) diesen laut Datenbank spielten. Brett 8 wechselte laut Datenbank häufiger die Varianten.

3…Sf6 4.e5 Sfd7 5.f4 c5 6.c3 Sc6 7.Sdf3 Db6 8.g3 cxd4 9.cxd4 Le7

Lb4+ wird hier überwiegend gespielt. Le7 wird allerdings von meinem “Kochbuch” empfohlen.

10.h4

h4 kannte ich mit Verbindung mit g3 nicht. Ich hatte Se2 erwartet. Während der Partie dachte ich ungefähr: A) Sieht komisch aus. B) Einerseits fällt Weiß weiter in der Entwicklung zurück, andererseits wird das in vielen Varianten wichtige g5 verhindert.

10…f6 11.Lh3

Damit hatte ich gerechnet. e6 hängt noch nicht, da man nach Lxe6 meistens Sdx5 hat.

11…0-0

Jetzt hängt e6, allerdings war ich der Hoffnung, dass ich nach diesem “Standardopfer” (hatte mir einige solcher Partien angesehen) Kompensation vor allem in Form der besseren Königssicherheit haben würde. Ich hab mich zu diesem Schritt durchgerungen, nachdem ich festgestellt hatte, dass d5 wegen Da5+ nicht auch noch fällt. Normalerweise hat in diesen Varianten Weiß Sg1-e2 gezogen und auf Da5+ kommt Sc3. Allerdings steht in diesen Varianten der Bauer auf h2 und Schwarz hat wieder g5 als Ressource und man kann je nach Variante auch Lxd5 verkraften.

12.Dd3

Empfand ich als komisch.

12…Kh8 13.Th2

ellenbergnach13w

Das ist wohl ein ?-Zug. Zur Verwunderung stellte ich während der Partie fest, dass jetzt das Standardopfer auf e5 zu klappen schien. Ich wollte es erst gar nicht glauben und hab dann versucht auszuschließen, dass die folgende Kombination, ich hatte bis Dg1+ gerechnet, dann allerdings nur Lf1 und Df1 gesehen, doch irgendwie wegen eines Zwischenzuges nicht geht. Ich habe nichts gefunden, habe fxe5 gezogen und kurz innegehalten und vor Sdxe5 nochmals tief durchgeatmet, dann den Springer reingeschlagen. Vermutlich hat mein Gegner dies übersehen, da in diesen Varianten meistens f2 der Schwachpunkt ist, in diesem Fall ist allerdings g1 das kritische Feld.

13…fxe5 14.fxe5 Sdxe5 15.dxe5 Sxe5 16.De2 Sxf3+ 17.Sxf3

Vor Txf3 habe ich kurz innegehalten, da ich “Damenfangmotive” und Grundreihenmotive z.B. nach einem eventuellen Df7 zu erspähen schien, war allerdings der Meinung, dass Weiß nichts hat. Hatte vor allem den Plan mit Ld7 gefolgt von Tf8.

17…Txf3 18.Dxf3 Dg1+ 19.Ke2

Ke2 hatte ich bis hierhin übersehen.

19…Dxh2+ 20.Lg2

ellenbergnach20w

Meine ersten beiden Kandidatenzüge waren Ld7 und Ld6 (Dg1 hatte ich auch kurz angeguckt), wobei ich mit beiden nicht gänzlich zufrieden war. e5 hat mich dann überzeugt, da nach einem Lg4 bzw. Lg4+ Schwarz keine Probleme, sondern nur Mehrmaterial und Angriff haben sollte.

20…e5 21.g4

Hat mich auch überrascht, allerdings war meine Wahrnehmung: Verzweiflung!

21…e4 22.Dh3 Dxh3 23.Lxh3 h5

Habe Lxh4 nicht gespielt, da ich (fälschlicherweise) befürchtete, dass Weiß das Tempo dazu nutzen kann die c-Linie zu besetzen und das Endspiel durch z. B. Ke3 Kd4 zu komplizieren.

24.Lg5 Lxg5 25.hxg5 hxg4 26.Lg2

Ich wollte meinen Läufer bewegen, konnte mich aber nicht wirklich entscheiden wo das beste Feld für diesen ist. Hatte mich für Lf5 entschieden, weil auf diesem Feld der Läufer zur Not mit g6 befestigbar ist.

26…Lf5 27.Td1 Td8 28.Ke3

Hier war einen Zug zuvor d4+ meine erste Idee. Mit dem Punkt, dass nach Txd4 Txd4 Kxd4 das Endspiel sich von “alleine” gewinnt. Allerdings kann Weiß statt Txd4 Kf4 spielen und ich meinte, dass entweder e4 oder g4 fällt.

28…Kh7

Kh7, Kg6 habe ich als besser eingeschätzt.

29.Kf4 Kg6 30.Td4

Hier hatte ich ganz kurz Selbstzweifel bekommen, ob doch aufgrund des schlechten Läufers eine Blockade möglich ist und ich mich gerade blamiere, weil ich eine gewonnenes Endspiel in den Sand stecke.

30…Tf8

Nach Tf8 waren die Selbstzweifel weg.

31.Ke5 Kxg5

Laut meinen Berechnungen war d5 tabu

32.Txd5 Te8+

Der e-Bauer läuft entweder durch oder kostet den Läufer. Mein Gegner gab auf. Ich konnte mein Glück nicht fassen.

0-1

Partie nachspielen

19 Kommentare

ElNino 2. März 2009

@Slawomir: Keine Sorge, diese Partie werde ich mir heute Abend zu Hause genau anschauen:-) Und Glückwunsch zu der Partie, dem Sieg und dem Mannschaftserfolg!!

Nordlicht_70 2. März 2009

Tolle Partie Slawo, für mich die schönste des Tages (aus Greifswalder Sicht).
Wenn du morgen nach dem Blitzturnier (etwa gegen 21.30 Uhr) noch kommst, würde ich mich über eine Livedemonstration, insbesondere der Spielideen nach dem Hängenlassen von e6, freuen. :-)
Auch Gordon hat toll gekämpft, leider reichte es zum Schluss nicht zur Punkteteilung.

Eckart 2. März 2009

Na, so “toll” finde ich die Partie nicht.
Offensichtlich war Weiß eröffnungstheoretisch mangelhaft präpariert.
Spielt Tarrasch, läßt dann aber Züge wie 10.h4? und 12.Dd3? vom Stapel.
13.Th2?? schließlich schlägt dem Fass den Boden aus, wonach die Partie bereits vorüber ist.

derber Patzer 2. März 2009

Grüsse,
ich kann auch nur sagen, dass ich über die eigenwillige Eröffnungsbehandlung in der Oberliga extremst erstaunt war.
Ich glaube inzwischen, dass Weiss hier einfach gedacht hat: Erstmal schnell aus der Eröffnungstheorie/Vorbereitung raus. Danach wird Schwarz mit seinen 300 DWZ Punkten weniger ehrfurchtsvoll stillhalten. Ich konsolidiere ruhig meinen Raumvorteil und früher oder später kommt der schwarze Patzer. Dies klappt zum Glück nicht immer.

Eckart 2. März 2009

Wenn es denn so gewesen sein sollte, hat diese Überheblichkeit ihre gebührende Abfertigung erhalten.
Warum auch sollte jemand mit DWZ 1880 kein passables Eröffnungsrepertoire haben??!

Buts 2. März 2009

In Greifswald wird momentan halt ganz großes Schach gespielt!!
Gratulation an Slawo ein sehr schöner Erfolg auch wenn ich Eckert in einer Hinsicht zustimmen muß, der Gegner war schlecht vorbereitet. Trotzdem finde ich die Partie sehr ansprechend da Slawomir eindrucksvoll demonstrierte wie man soetwas ausnutzt.

SHL 2. März 2009

Auch ich stimme Dir nicht zu, Eckart. Die Situation nach Th2 kann man durchaus in ein ernst zu nehmendes Kombibuch als Aufgabe reinnehmen. Das kombinierte Springer- und Qualität-Scheinopfer genügt mE hohen ästhetischen Ansprüchen.

Dass sich solche Gelegenheiten nur nach Fehlern ergeben, ist klar.
Wegen Vorbereitung: Woher soll denn der gute Mann geahnt haben, dass er gegen Slawo spielen muss?

Buts 2. März 2009

@ SHL

geahnt haben kann er es sicher nicht, aber mit Weiß gegen einen normalen Französischaufbau, da mußt Du dich mit der Spielstärke einfach auskennen. Slawo hat ja wirklich die Standardzüge gemacht und wenn statt Lb4 Le7 gezogen wird, da kann es ja nicht gleich vorbei sein.

Stefan 3. März 2009

Die Partie ist jetzt auch nachspielbar (der Link ganz unten). Natürlich, wenn einer gewinnt, hat der andere Fehler gemacht. Das schmälert aber in meinen Augen nicht die schwarze Leistung, sich in der Aufregung der ersten Oberligapartie nicht hinten reinzustellen, sondern thematisch zu opfern.

ElNino 3. März 2009

@ Eckart, @alle :”13.Th2?? schließlich schlägt dem Fass den Boden aus, wonach die Partie bereits vorüber ist.”… ist in der Tat ein “eigenwilliger” Zug…Was will er da? Wo will er hin?? Was ist der weiße Plan? Denn anschließend hat Schwarz einfach zwei Bauern mehr…!?

Eckart 3. März 2009

Wahrscheinlich sollten die Felder b2 – um den Damenläufer beweglich zu machen – und c2 – wegen Sc6-b4 – überdeckt werden.
Zur Klarstellung:
Natürlich würde ich mich als Schwarzer auch darüber freuen, eine solche Partie gewonnen zu haben, und als Mitspieler würde ich meinem Mannschaftskamerad auch kräftig auf die Schulter klopfen, aber da ich als Außenstehender keine solche Rücksichtnahme üben muss, habe ich ganz einfach nur meine Meinung gesagt. Und für mich “schreit” die Diagrammstellung nach 13.Th2?? förmlich danach, die Überlastung des Sf3 und die Diagonale b6-g1 auszunutzen.

derber Patzer 3. März 2009

Eine Idee wäre, dass verspätet das weiße Standardmanöver T nach f2 gefolgt von K nach f1 g2 durchgeführt werden sollte. Wobei Weiß da üblicherweise den Turm über f1 nach f2 bringt. Eine andere Idee ist, dass Weiss das Feld c2 absichern wollte, da Ideen mit Sb4 mit Drohung Sc2 vielleicht mal konkret werden.

Buts 3. März 2009

@ derber Patzer

genau so sieht der Plan aus!

Nordlicht_70 19. Oktober 2009

Neues aus der “Greifswalder Wundertüte”:
Der neue ML (Stammbrett 8, letzte Saison ohne Einsatz in der OL) sowie seine drei Ersatzspieler machen hinten 4 aus 4 und ringen damit die Rüdersdorfer (inklusiver 5! polnischer Spieler) nieder. Chapeau!

Stefan 19. Oktober 2009

Seit ich nicht mehr dabei bin, läuft es richtig gut! Vielleicht sollte ich demnächst mal in der 4. Mannschaft aushelfen, da hakt es noch ein bisschen…

Glückwunsch an alle Greifswalder Helden!

HL 19. Oktober 2009

Naja, es war auch etwas Glück dabei:

ein Punkt kampflos, mein Gegner lässt einfach seine Uhr ablaufen…

…aber das soll unsere Leistung nicht schmälern.

Nordlicht_70 19. Oktober 2009

Schade, dass du nicht da warst, Stefan. Naja, vielleicht nächstes Mal? Zu Hause die Daumen drücken hat aber auch geholfen. :-)
In der Vierten ganz klar – mea culpa. Vielleicht zeige ich die Peinlichkeit morgen….

rank zero 20. Oktober 2009

Naja, dass sich nicht einmal mehr die Schachblaetter für die Oberliga vor der Haustür interessieren, hat die Motivation schon irgendwie geschmälert, womit ich meine schwache Leistung nicht damit entschuldigen will. (Vielleicht doch der richtige Zeitpunkt, den Platz für die Aufsteiger zu räumen?) Hülfe es, ein Xianqqui aufzustellen? Jedenfalls schließe ich mich an, schade.

Stefan 20. Oktober 2009

Fehlendes Interesse war es ganz sicher nicht. Du glaubst gar nicht, wie gern ich gekommen wäre.

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