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Der Landesschachverband hat beschlossen, dass die Corona-Pandemie vorbei ist und der Wettkampfbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Weil die Landesregierung dafür ein Hygienekonzept vorschreibt, hat der Landesschachverband bzw. sein Präsident ein sog. Hygienekonzept erstellt.

Nach wissenschaftlicher Erkenntnis wird das Coronavirus durch Tröpfcheninfektion und Aerosole übertragen. Atmen reicht dafür aus, die Viruslast erhöht sich aber durch Sprechen und Singen, vor allem mit der Lautstärke. Aus dem Atemweg austretende Tröpfchen sinken schnell zu Boden, die Übertragungswahrscheinlichkeit verringert sich deshalb mit zunehmendem Abstand (1,5 bis 2 Meter). Lässt sich der Abstand nicht einhalten (weil man sich etwa an einem Schachbrett gegenübersitzt und dieselben Figuren wie sein Gegenüber berührt), verringern Masken, die Mund und Nase bedecken, die Ansteckungsgefahr.

Aerosole sind kleine Partikel, die über lange Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen können (Faustregel: Entfernung, in der man Zigarettenrauch wahrnehmen würde). Auch dagegen bieten Masken einen gewissen Schutz, ansonsten ist jeder Luftaustausch günstig, unter freiem Himmel besteht fast gar keine Übertragungsgefahr.

Okay, was steht jetzt also in dem sog. Hygienekonzept?

— keine Abstände zwischen den Spielern (etwa, indem der Aufenthalt nur an den Brettern und außerhalb des Spielbereichs an der frischen Luft erlaubt wird)
— keine Abstände zu den Zuschauern (Zuschauer sind nur verboten, solange die Landesverordnung Zuschauer verbietet, mittlerweile sind Zuschauer wieder erlaubt)
— keine Masken (Mund-Nasen-Schutz wird dringend empfohlen, was nichts anderes heißt, als dass niemand Masken tragen wird)
— keine Regeln zur gemeinsamen Anreise bei Auswärtskämpfen
— keine wirksame Lüftung

Luftbewegung ist ein zentrales Instrument, wenn sich mehrere Personen über lange Zeit in geschlossenen Räumen aufhalten. Luftbewegung verdünnt infektiöse Aerosole wirkungsvoll. Luftbewegung ist das, was wir draußen Wind und drinnen Zugluft nennen. Aber Zugluft …

Während des Schachwettkampfes ist je nach Dauer spätestens nach 2 Stunden für mindestens 10 min gründlich zu lüften. Schachwettkämpfe dürfen nicht unterbrochen werden, deshalb ist das Entstehen von Zugluft zu vermeiden und eine entsprechende deutlich häufigere Lüftung anzustreben.

… Zugluft ist deutlich gefährlicher als das Coronavirus. Von Zugluft kann man bestimmt einen steifen Hals bekommen oder so. Wenn sich die Luft bewegt, kann man kein Schach spielen. Das kann jeder leicht feststellen, der nach zwei Stunden ein gut gefülltes Spiellokal voller Schachspieler betritt und durch die Nase atmet.

Das Konzept heißt also im Klartext: Wir machen weiter wie vorher. Es wird schon gutgehen. Ich freue mich auf die neue Saison.

Nachtrag

Kurz vor der Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebes wurde das Hygienekonzept auf Verlangen des Gesundheitsamtes angepasst, es gibt seit dem 24. September eine Maskenpflicht am Brett.

Ein Kommentar

tk 12. Juli 2020

Im Wettkampfbetrieb wird das wohl einige Flurbereinigungen beschleunigen, die sich sonst noch länger hingezogen hätten. Vereine ohne Jugendmannschaft und mit Spielern überwiegend im Rentenalter werden ihre Mannschaften zurückziehen statt die Spieler in Gefahr zu bringen. Andere Vereine werden nur mit jungen Leuten antreten und je nach deren Spielstärke absteigen oder nicht. Die Zahl der Vereine und Mannschaften wird sich reduzieren, was aber vielleicht ohnehin passiert wäre, nur sonst eben zehn Jahre später. Kann man gut oder schlecht finden, auf jeden Fall ist es eine enorme Wettbewerbsverzerrung.

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