Selbstmatt (3.5) = Retro (14)

selbstmatt5
r3k1bR/3p4/rp1p1Q2/bNpP1P2/1pP3p1/1B2PpP1/3P1P2/4K2R w Kq – 0 1

Darf man eine Aufgabe stellen, die man selbst nicht verstanden hat? Nicht verstanden hat, obwohl man die Lösung kennt? Vielleicht darf man das, wenn man in der Leserschaft klügere Köpfe erwarten darf.

Das ist eine Selbstmattaufgabe vom Problemschach-Großmeister Michel Caillaud (The Problemist 1985). Selbstmatt in 17 Zügen.

Wer Ideen oder die Lösung hat oder auch einfach nur seine Ratlosigkeit mit anderen teilen will, darf gern kommentieren.

33 Kommentare

Permanent Brain 1. Juli 2009

Falls das eine Retro-Aufgabe ist: Ein FEN-String weist ja explizit aus, welche Rochade- und/oder En passant-Rechte bestehen. D.h. Fragen welche typischerweise durch eine Retroanalyse geklärt werden sollen, beantwortet ein korrekter FEN-String schon im voraus.

Hier wären also das kurze weiße (K) und das lange schwarze (q) Rochaderecht noch vorhanden, und kein En passant-Zug möglich. Stimmt das? Denn wenn der letzte schwarze Zug c7-c5 gewesen wäre, müßte im FEN-String nach Kq das E.p.-Feld c6 angegeben sein (statt des -). Das gilt nach jedem Doppelschritt eines Bauern, unabhängig davon ob tatsächlich ein E.p.-Schlag möglich ist oder nicht.

Es besteht gewissermaßen ein konzeptioneller Konflikt zwischen Retroaufgaben und der (ansonsten sehr wünschenswerten erfreulichen) Beifügung eines FEN-Strings.

Bevor ich ChestUCI darauf ansetze, muß ich abwarten bis jemand (anderer als ich :-) ) den Retro-Teil aufgeklärt bzw. gelöst hat, um die voraussichtlich sehr zeitaufwendige Analyse mit dem garantiert richtigen FEN-String zu starten.

Stefan 1. Juli 2009

Leider halten sich die Problemschach-Leute sehr mit Erklärungen zu ihrer Lösung zurück. Man konnte nur knapp verstehen, dass es auch eine Retroaufgabe sein soll — verstanden habe ich es nicht.

Notfalls musst du alternative FENs ausprobieren. Dieser FEN soll jedenfalls keine Fragen beantworten — ich habe die Stellung einfach aufgebaut.

Stefan 2. Juli 2009

Permanent Brain hat den Punkt natürlich getroffen. Nach Ãœberschlafen der Angelegenheit habe ich jetzt eine leise Ahnung, wie die Lösung zu erklären ist. Tatsächlich braucht man wohl zunächst eine saubere Retrospektivbetrachtung. Ich habe noch nie eine so verwirrende Aufgabe gesehen.

MiBu 2. Juli 2009

Also, diese „Schach mit Sherlock Holmes“-Aufgaben sind meist nicht mein Fall! (Dass ist natürlich nur eine flaue Ausrede dafür, dass ich hier keine Zeit darauf verwenden will, um die beiderseitigen Rochaderechte zu klären, bevor überhaupt die eigentliche Lösung gesucht werden kann. Ich behaupte allerdings, dass 1.dxc6 nicht die Lösung sein wird, da ein letzter schwarzer Zug c5 wohl nicht zwingend ist, könnte z.B. auch exd6 gewesen sein oder Ta6 meine ich.)
Es gibt in einem der beiden Bände „Schachkuriositäten“ von Krabbé eine sehr eigenartige Aufgabe, bei der Weiß Remis halten soll. Der erste weiße Zug erlaubt ein Matt in 1, was ja an sich ein Nachteil ist. Allerdings beweist Weiß mit diesem Zug auch, dass 50 Züge weder Schlagfall noch Bauernzug geschehen sind und er daher ein Remis nach 50-Züge-Regel reklamieren darf. Suche ich bei Gelegenheit mal raus, wenn es dafür Interessenten gibt; diese Aufgabe hat einen vergleichbaren Verwirrungsgrad wie die hier vorliegende.

Stefan 2. Juli 2009

Kommt mir bekannt vor. Ist es diese Aufgabe?

MiBu 2. Juli 2009

So isses. Dann brauche ich ja nicht mehr zu suchen, wobei die Bändchen von Krabbé ja auch schnell durchblättert gewesen wären.

SHL 2. Juli 2009

Die verlinkte Aufgabe ist noch gar nicht hier diskutiert worden. Ich werde mir mal ein paar Gedanken dazu machen.

Stefan 2. Juli 2009

Ich fang dann mal an:

Es wurde vier schwarze Figuren geschlagen. Dame, zwei Springer und ein (eventuell verwandelter) Bauer. Aus der weißen Bauernstruktur ergibt sich, dass alle vier weißen Schlagzüge mit Bauern erfolgten. Es wurde also kein weißer Bauer verwandelt. Schwarz hatte also drei Schlagzüge und hat dabei einen Bauern, einen Springer und den schwarzfeldrigen weißen Läufer geschlagen. Wegen der beiden Doppelbauern muss Schwarz mindestens zweimal mit einem Bauern geschlagen haben.

Naja, führt auch nicht viel weiter.

Wahrscheinlich muss man eine Beweispartie konstruieren, um den Rochaderechten näher zu kommen.

Stefan 2. Juli 2009

Ergänzung: Wenn sich ein schwarzer Bauer verwandelt hat, dann muss das auf h1 geschehen sein. Und dann kann Weiß nicht mehr rochieren. Anderenfalls muss der schwarze h-Bauer von einem weißen Bauern geschlagen worden sein. Das kann nur auf der g-Linie passiert sein. Dann waren auch alle schwarzen Schlagzüge Bauernzüge und kein schwarzer Bauer wurde verwandelt.

MiBU 2. Juli 2009

„Aus der weißen Bauernstruktur ergibt sich, dass alle vier weißen Schlagzüge mit Bauern erfolgten.“
Einverstanden, das waren cxd, bxc, hxg und gxf.
„Es wurde also kein weißer Bauer verwandelt.“
Nicht mehr einverstanden. Der weiße a-Bauer könnte doch nach vorherigem axb von Schwarz nach a8 gelaufen sein, oder nicht?
„Ergänzung: Wenn sich ein schwarzer Bauer verwandelt hat, dann muss das auf h1 geschehen sein.“
Weiß ich auch nicht. Kann denn nicht der weiße a-Bauer in eine andere Figur als einen L verwandelt worden und die Figur dann auf g1 geschlagen worden sein? Schwarz holte sich dann einen L, das ist der, der jetzt auf a5 steht. Wenn das geht, könnte Weiß noch rochieren, aber Schwarz nicht mehr wegen Verwandlung auf a8.
Mich beschleicht der schlimme Verdacht, dass es sich um eine Stellung der Art handelt, wenn Weiß noch rochieren darf, dann darf Schwarz nicht mehr, wenn Schwarz noch darf, dann Weiß nicht, aber es ist nicht zu ermitteln, welcher von beiden Fällen zutrifft. Aber das ist „nur ein Gefühl“ ohne jedes Beweisangebot.

Permanent Brain 3. Juli 2009

Dieser obskure wechselseitige Zusammenhang zwischen dem jeweils vorhandenen bzw. nicht vorhandenen Rochaderecht muß hier mit einer sehr schweren Retroanalyse zu tun haben. Zum Glück habe ich nicht den Ehrgeiz diesen verstehen zu wollen, sonst liefe ich Gefahr, in den Schlund des Wahnsinns gezogen zu werden. :-)

Angesichts der Schwierigkeit dessen hoffe ich daß es angebracht ist, diese alternative FEN einzubringen:

r3k1bR/3p4/rp1p1Q2/bNpP1P2/1pP3p1/1B2PpP1/3P1P2/4K2R w – – 0 7

Die Stellung sieht genauso aus wie oben, aber es bestehen hier gar keine Rochaderechte mehr. Da die schwarzen Türme nicht „ausbrechen“ können, glaube ich daß es egal ist was genau sie da hinten ziehen, während Weiß das Selbstmatt konstruiert.

Ãœber den retroanalytische Teil habe ich durch diesen Vorgriff hoffentlich nicht zuviel verraten, also m.a.W. die Fortsetzung bzw. Durchführung hilft ja vermutlich dafür nichts.

Stefan 3. Juli 2009

Du kannst ja mal diesen FEN durch die Maschine schicken und wirst eine überraschende Entdeckung machen…

@MiBU: Habe leichte Ãœberforderungstendenzen. Aber du kommst der Sache schon sehr nahe, glaube ich.

SHL 3. Juli 2009

So leicht ist das nicht mit „durch die Maschine schicken“, da 17 Züge nicht so leicht zu berechnen sind.

Meine Logik ist ja:
Weiß sollte noch rochieren können, Schwarz nicht. Ich schreibe das ohne Retroanalyse, aber bin aus einem anderen Grund dieser Auffassung:
die weiße Rochade erhöht die weißen Möglichkeiten für das Selbstmatt, die schwarze nicht, da es unmöglich ist, Schwarz zur Rochade zu zwingen (er könnte immer noch einen Königs- oder Turmzug stattdessen machen). Im Gegenteil, die schwarze Rochade würde Schwarz eine weitere Option geben, dem Matt auszuweichen.

Permanent Brain 3. Juli 2009

Ich glaube – im Sinne dessen was MiBu anmerkte – daß die Fragestellung beim Retroteil lautet: Kann es sein daß beide Rochaderechte bestehen, und falls nein, wieso nicht? Mit anderen Worten, kann man beweisen daß nicht beide zusammen aufrecht sein können?

Der Gedanke, daß möglicherweise entweder nur das eine oder das andere Rochaderecht besteht, aber nicht beide gleichzeitig, aber man weiß jedoch nicht welches, ist verwirrend. Es ist mir schleierhaft wie man das, noch dazu in einer so bevölkerten Stellung, beweisen soll.

Verglichen damit sieht der Selbstmatt-Teil (11 restliche Züge ohne RR., nicht 17) „relativ einfach“ aus und läuft ab wie ein Uhrwerk. Den habe ich natürlich auch nicht selber gelöst, aber wenigstens beim Nachspielen verstanden.

Wer das alles selber auflöst, sollte es sich ausdrucken und in Gold einrahmen lassen. :-) Meine Grenzen sind wesentlich enger gesetzt…

MiBu 3. Juli 2009

Noch zwei Gedankensplitter von mir:
1.Der Schlüssel zur Retroanalyse sind wohl die Schlagfälle. Wie schon erwähnt, hat Weiß vier mal mit Bauern geschlagen, sh. meinen vorigen Kommentar. Einer der fehlende schwarzen Steine ist aber der h-Bauer! Der kann also NICHT auf seiner Ursprungslinie geschlagen worden sein, sondern muss durch Schlagfall auf die g-Linie gekommen ODER umgewandelt worden sein. Auf der anderen Seite fehlt bei Weiß der a-Bauer! Sollte tatsächlich der h-Bauer von Schwarz auf die g-Linie geschlagen haben, dann wären die schwarzen Schlagfälle also axb, exd6 und hxg (es fehlen nur drei weiße Steine). In dem Fall muss also der weiße a-Bauer umgewandelt worden sein, um den dritten schwarzen Schlagfall zu ermöglichen. Der a-Bauer selber kann nicht geschlagen haben, auch auf b8 nicht. Also haben wir zwei Fälle:
Fall a) Der weiße a-Bauer wurde auf a8 verwandelt und die Figur (z.B. S) später durch hxg6 oder so geschlagen. Dann kann Schwarz nicht auf h1 verwandelt haben. Möglich ist also w 0-0, aber nicht s 0-0-0
Fall b) Der weiße a-Bauer wurde nicht umgewandelt. Dann aber kann der schwarze h-Bauer nicht nach g geschlagen haben und auch nicht auf h geschlagen worden sein aufgrund der weißen Schlagfälle. Muss also auf h1 umgewandelt worden sein (g1 geht nicht wegen fehlender Schlagmöglichkeit). Möglich ist also s 0-0-0, aber nicht w 0-0
@permanent brain: Ich bin vielleicht etwas zu selbstsicher, aber ich glaube den Retro-Teil damit gelöst zu haben, mag es auch verwirrend sein.
@all: Ihr könnt es nicht sehen, aber ich haue mir jetzt vehement auf die Schulter ob meiner wie es scheint gefühlsmäßig richtigen Einschätzung des Problems, sh. ebenfalls meinen letzten Kommentar. Wenn ich bei meinen Partien auch immer gefühlsmäßig richtig liegen würde in der Positionseinschätzung, das wär‘ was!
2. Vermutlich besteht dann die Lösung des Selbstmatts – das habe ich noch gar nicht versucht – nicht in 1.Kd1 2.Kc2 oder so ähnlich, sondern 1.0-0!!, um so zu „beweisen“, dass Schwarz nicht mehr rochieren kann, und dann 2.Ta1 3.Kf1 4.Ke1 usw. um die gleiche Stellung wie nach 1.Kd1 mit einigen Zügen Verspätung (lt. permanent brain sollen es sechs sein) zu erreichen. Es ist nicht offenbar nicht entscheidbar, ob Fall a) oder Fall b) vorliegt, durch 1.0-0 wird somit klargestellt, dass S nicht rochieren darf. Man kann natürlich darüber streiten, ob W 1.0-0 ausführen muss oder es genügt festzustellen, dass er rochieren dürfte… (Auch dazu findet sich was in einem der Krabbé-Büchlein!)

MiBu 3. Juli 2009

PS@permanent brain: Der Beweis gelingt gerade nur deshalb, weil die Stellung bevölkert ist, was die Zahl der möglichen Schlagfälle limitiert. Es sind nur sieben Steine vom Brett und noch viele Bauern, z.T. verdoppelt.

Stefan 3. Juli 2009

@MiBU: Seltsame Koinzidenz! Ich kann dein virtuelles Schulterklopfen bis hier hören. Vor einer halben Stunde habe ich endlich mal das Brett aufgebaut (ich kann Schach nur dreidimensional) und mir fiel die Lösung ein. Nach einem Stadtspaziergang bin ich gerade zum Rechner geeilt, aber besser als du könnte ich es auch nicht ausdrücken. Ich hatte aber immerhin den Vorteil, dass ich wusste, welches Ergebnis die Retroanalyse haben musste — nur eine Seite kann rochieren. Und deshalb auch kein Selbstmatt in 11, Weiß muss erstmal beweisen, dass Schwarz nicht mehr rochieren kann, indem er selbst rochiert! 1.0-0! ist tatsächlich die Lösung. Glückwunsch!

Die Problemschachleute definieren das übrigens als „Rochadevermeidung“.

Der Rest ist dann das Uhrwerk.

PS: Nach d1 schafft es der König in der von Permanent Brain verratenen Zugdifferenz nicht.

SHL 5. Juli 2009

Aber das ist nun Unfug, MiBu und Stefan!

Allein aus der Retroanalyse und aus der Aufgabenstellung ergibt sich ja, dass Weiß noch rochieren darf und Schwarz nicht (wie ich ja bereits annahm).
Grund: Die Retroanalyse ergab, dass entweder Weiß noch klein oder Schwarz noch groß rochieren darf. Kann Schwarz noch groß rochieren, so ist die Aufgabe unlösbar, wenn ich das richtig verstanden habe, ergo bleibt nur das weiße Rochaderecht.

Nachdem man das herausgefunden hat, muss man die Rochade doch nicht mehr ausführen und kann daher Pbs kürzeren Lösungsweg gehen.

Um es kurz zu machen, ob ich rochieren kann oder nicht ergibt sich aus der Stellung (also den vorausgegangenen Zügen) und das Rochaderecht verfällt auch nicht bzw. geht auf den anderen über, wenn ich nicht rochiere.

Permanent Brain 6. Juli 2009

Ich habe eine PGN mit der kompletten Lösung vorbereitet. Bitte mir zu signalisieren wann ich sie posten soll, damit es nicht verfrüht ist bzw. noch andauernde Lösungsaktivitäten möglichst nicht gestört werden.

MiBu 6. Juli 2009

@SHL:
Unfug oder nicht, das ist strittig. Als Partiespieler stimme ich Dir im Prinzip zu, die Problemisten sehen das wohl anders. Es ist hier gerade der Gehalt der Aufgabe, dass die Rochaderechte unentscheidbar sind und nur durch 1.0-0 Weiß zwingend nachweisen kann, dass Schwarz nicht mehr rochieren darf. In einer Partie schaut man aufs Formular, aber beim Problemschach werden die Figuren in Ihre Ausgangsstellung gesetzt und nicht gezogen, und es gab kein vorheriges Spiel“ (Samuel Loyd). Insofern sind Retroprobleme in mancher Hinsicht ein Widerspruch in sich.
Die Definition für das Rochaderecht in Problemen ist wohl sinngemäß: „Ist immer zulässig, wenn nicht das Gegenteil beweisen werden kann.“ Ergo: Beim kürzeren Lösungsweg ohne 1.0-0 darf Schwarz noch rochieren, somit geht der nicht. Das mag DIr widersinnig erscheinen, aber nach den im Problemschach (NICHT im Partieschach!) geltenden Regeln ist das so.

Werner Berger 6. Juli 2009

Es ist nicht zulässig, die eindeutige Lösbarkeit des Problems als wahr zu unterstellen, um allein deswegen eine der beiden denkbaren Sachverhaltsvarianten als nicht gegeben auszuschließen.
MaW: MiBu und Stefan haben Recht.

Stefan 7. Juli 2009

Ich bringe mal den Anfang der amtlichen Lösung, die mich damals ziemlich aus der Bahn geworfen hat. Jetzt geht es schon wieder:

1.Tf1? T6a7 2.Dg7 0-0-0!
1.0-0 T6a7 2.Kh2 Ta6 3.Th1 T6a7 4.Kg1 Ta6 5.Kf1 T6a7 6.Ke1 Ta6 7.Tf1 T6a7 8.Dg7 Kd8

SHL 7. Juli 2009

„Es ist nicht zulässig, die eindeutige Lösbarkeit des Problems als wahr zu unterstellen“

Akzeptiert. Unter diesen Umständen lautet die Lösung:
Die Retroanalyse ergab, dass entweder Schwarz noch groß oder Weiß noch klein rochieren darf. Ist ersteres der Fall, ist die Aufgabe nicht lösbar, ist zweiteres der Fall, so beginnt die Lösung mit 1. Tf1.

Werner Berger 7. Juli 2009

Dass „Zweiteres“ der Fall ist, kann nur dadurch bewiesen werden, dass man mit 1.0-0 beginnt.

Ich denke, wir drehen uns im Kreis.
Schreib doch mal an die „Schwalbe“, was die dazu sagen, und dann werden wir ja sehen, welche Sichtweise im Problemwesen anerkannt ist.

Stefan 7. Juli 2009

Denke sowieso gerade darüber nach, „Die Schwalbe“ zu abonnieren, damit man einen Notausgang hat, wenn die Schachverbände es endgültig schaffen sollten, einem den Spaß an diesem Spiel zu verderben.

Thomas 7. Juli 2009

Gern komme ich der Einladung von Stefan nach, ein paar Worte zu der Aufgabe und der spannenden Diskussion hier zu schreiben. Aber erst mal ein paar Worte zu mir: Ich bin der „Retro-Sachbearbeiter“ der „Schwalbe“, also dafür zuständig immer wieder an neue möglichst spannende Retros zu kommen, die dann in der Schwalbe veröffentlicht, gelöst, kommentiert und diskutiert werden.

Gerade bei Retros kommt zwangsläufig die Sicht des Partiespielers ins Spiel. Ich war früher auch einer, bevor mich das Problemschach immer mehr in seinen Bann gezogen hatte, ohne dass es dazu irgendwelcher Schachverbände bedurft hätte, mir das „Partyschach“ zu verleiden – Problemschach hat, finde ich, seine eigenen Reize. Partie und Problem haben erst einmal die gleiche Basis, die Schachregeln, aber eine ganz andere Herangehensweise. Das ist schon manchmal verglichen worden mit Diskussion und Bühnendialog: Beide nutzen Worte, die gleiche Sprache, die gleiche Grammatik, und doch ist das eine „Kampf“, das andere „Schauspiel“, „Drama“.

Zurück zu dem Problem: Richtig, der Party-Spieler würde aufs Formular schauen und könnte entscheiden, wer noch rochieren darf und wer nicht – nur: dieses Formular gibt es hier nicht! Und, richtig, insofern ist hier die FEN-Notation verwirrend oder besser gesagt so nicht nutzbar. Denn es hier ist gerade Aufgabe der Löser, und das habt ihr schon toll gemacht, herauszuarbeiten, dass nur eine Rochade noch möglich ist, nicht aber beide. (Richtig, mit den orthodoxen Schachregeln kann man nie (ohne Partieformular!) beweisen, dass überhaupt Rochaden zulässig sind: 1.Sf3 Sf6 2.Tg1 Tg8 3.Th1 Th8 4.Sg1 Sg8 und das gleiche auf der Damenseite…

Da wir beim Problem kein Partieformular haben, ist für diesen die einfache Regel „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ (oder, anders herum, um es mit Michail Gorbatschow zu sagen: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“). Hier ists also so, dass Weiß durch seine Rochade „beweist“, dass Schwarz nicht mehr rochieren darf; aus genau diesem Grunde löst 1.Tf1 nicht, denn dann könnte sich Schwarz mit 2… 0-0-0 verteidigen!

Ãœbrigens ist der Autor Michel Caillaud sowohl ein hervorragender Selbstmatt- als auch Retro-Komponist – und gleichzeitig einer der besten Schachproblem-Löser auf der Welt!

Vielleicht hab ich ja den einen oder anderen neugierig gemacht, das würde mich freuen — und Probehefte der Schwalbe gibt es ja übers Internet (http://dieschwalbe.de) – und vielleicht taucht dann ja auch der eine oder andere dort als Löser auf, veröffentlicht dort seine eigenen Aufgaben?! Ich würde mich freuen!

Stefan 8. Juli 2009

@Thomas: Vielen Dank für deinen Kommentar. Also gilt der Anzugsvorteil auch im Retroschach!

PS:
Die anderen Retroaufgaben sind hier:
http://schachblaetter.de/tag/retroschach/

PPS:
http://twitter.com/schachblaetter/status/2530347734

Hartmut Laue 9. Juli 2009

Ãœber die Anfrage habe ich mich als Sachbearbeiter für Selbstmatts natürlich gefreut, umso mehr aber noch, daß mein Kollege Thomas Brand hier das Entscheidende beigesteuert hat. Denn die Aufgabe ist in ERSTER Linie eine Retro-Problem, und mein Ressort blickt nun einmal in die Zukunft, nicht in das Zurückliegende… Thomas ist also der wesentlich versiertere „Historiker“ (Retro-Fachmann) von uns beiden und damit auch der wesentlich geeignetere Ansprechpartner im Falle der Aufgabe von Michel Caillaud.

Mit dem französischen Autor habt Ihr aber gleich einen der ganz Großen der Zunft der Schachkomposition am Wickel! Und da dieser auch geniale Vorwärtsprobleme baut, habe ich Hoffnung, daß ich irgendwann auch mal bei Euch zum Zuge komme – mit einem „ganz normalen“ Selbstmatt, das vorwärts geht!!

Selbstmatts sind Klasse…

Stefan 9. Juli 2009

Danke, Hartmut. Schön zu wissen, dass es noch Sachbearbeiter gibt. Normalerweise würde man doch heute von „Assistent Director Selfmate“ sprechen ;-)

Leider scheint der Selbstmatt-Teil ungelöst zu bleiben. Alle sind vollkommen geschafft von der Retro-Aufgabe…

SHL 9. Juli 2009

Der Selbstmatt-Teil ist selbst nach den Anfangszügen schwer zu knacken.

ElNino 11. Juli 2009

Was und wen man bei den Schachblättern alles so (kennen-)lernt…:) Suuupi!

Permanent Brain 12. Juli 2009

Achtung, Lösung! :-) Nachdem einige Tage keine neuen Anläufe ersichtlich waren, hab ich mir gedacht jetzt könnte es an der Zeit sein. Falls doch noch nicht, bitte löschen bzw. nicht freischalten (was vermutlich wegen des Links wiederum erforderlich sein wird).

Quelle: http://www.softdecc.com/pdb/search.pdb

[Event „The Problemist“]
[Site „?“]
[Date „1985.??.??“]
[Round „?“]
[White „Michel Caillaud“]
[Black „Selbstmatt in 17“]
[Result „0-1“]
[SetUp „1“]
[FEN „r3k1bR/3p4/rp1p1Q2/bNpP1P2/1pP3p1/1B2PpP1/3P1P2/4K2R w K – 0 1“]
[PlyCount „34“]

1. O-O R6a7 2. Kh2 Ra6 3. Rh1 R6a7 4. Kg1 Ra6 5. Kf1 R6a7 6. Ke1 Ra6 7. Rf1
R6a7 8. Qg7 Kd8 9. Qxg8+ Ke7 10. Rh7+ Kf6 11. Qg7+ Kxf5 12. Rh5+ Ke4 13. d3+
Kxd3 14. Qa1 Rh8 {(beliebig)} (14… Ke4 15. Qd1 Rh8 16. Nc3+ bxc3 17. Qb1+ c2#
) 15. Qd1+ Ke4 16. Nc3+ bxc3 17. Qb1+ c2# 0-1

Thomas 12. Juli 2009

Ein paar Worte möchte ich, nachdem die Lösung hier nun steht, doch noch zum Inhalt sagen: Weiß rochiert also nur, um nachzuweisen, dass Schwarz es nicht mehr darf. Das aber macht eigentlich seine schöne Selbstmatt-Stellung kaputt – also nimmt er quasi die Rochade zurück. Und nach sechs Zügen sieht es auf dem Brett wieder genau so aus wie am Anfang.

Der Problemschächer sagt nun, Weiß führt einen „zweckreinen“ Vorplan aus: ausschließlich zur Verunmöglichung der schwarzen Rochade. Gerade die Wiederherstellung der Diagrammstellung zeigt, dass damit Weiß nicht irgendwie anders seine Stellung verbessert hat, nicht einen zusätzlichen Zweck erfüllen wollte.

Der erste Zug dieses Vorplans, die sOOO zu vermeiden, ist nun eigentlich schädlich für Weiß, weil der wK nun nicht mehr so schön in der indirekten Batterie des sLa5 steht, der enthält also, nächster Terminus, ein „Antizielelement“, das nun durch den Rest des Vorplanmanövers wieder rückgängig, unschädlich gemacht werden muss. Und erst dann kann es mit dem eigentlichen Vorwärtsspiel losgehen…

Eine wirklich klasse Aufgabe!

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