Fernschachpost 2005

Seit Sommer 2005 beweist die Redaktion der Fernschachpost, dass man in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur Regionalliteratur verlegen kann. Ganz im Gegenteil, die Zeitschrift tritt mit dem überregionalsten Anspruch auf, den man sich vorstellen kann – es geht um Fernschach, welches bekanntlich rund um den Globus gespielt wird. Mittlerweile liegt der Jahrgang 2005 komplett vor und ist die Fernschachpost das offizielle Verbandsorgan des Deutschen Fernschachbundes geworden. Dabei handelt es sich offenbar um eine recht seriöse Vereinigung mit Ehrenmitgliedern, Ehrenurkunden und Goldener und Silberner Ehrennadel. Neben solcherart Verlautbarungen finden sich aber auch feinsinnige Texte im Heft. So schreibt Jörg Seidel:

Im Fern-Schach ist die Ferne und nicht das Schach konstituierend, im Nahschach – einer Tautologie, die erst mit dem Fern-Schach eine Halbsignifikanz erhält –, im Schach ist nicht die Nähe, sondern das Schach konstituierend, insofern das eine im anderen enthalten ist.

Und derselbe über Schachprogramme:

Nicht ob die Maschine das Spiel obsolet macht, bewegt mich, viel mehr was das Maschinenspiel aus uns macht. Wenn sie überhaupt etwas aus mir macht, so hat die Maschine den Kampf schon gewonnen. Sie regiert! Wann habe ich zum letzten Male wirklich gedacht, statt versucht zu erinnern? Wann habe ich zum letzten Mal wirklich gedacht, statt den Allwissenden zu fragen?

Passenderweise erscheint an anderer Stelle eine 24-zügige Gewinnpartie von Hans-Jürgen Isigkeit mit dem Bemerken: „Die komplette Zugfolge ist schon da gewesen, aber das kann man Weiß nun wirklich nicht vorwerfen. Man sieht, dass es sinnvoller sein kann, einen Blick in die Datenbanken zu werfen, als den Analysen von Onkel Computer zu trauen.“

Und sonst? Natürlich viele kommentierte Partien. Aufregend der folgende Sieg in der Spanischen Partie von Thomas Schwetlick:

Wir bringen nur die Notation. Hier folgte 28.Te2 Lc8 29.Txd2 Sb3 30.Tad1 Sxd2 31.Dg3 f6 32.Sfg7 Sc7 33.f4 De7 34.Txd2 Ta6 35.f5 Df7 36.Df3 Ld7 37.Se6 Tc8 38.Sg5+ fxg5 39.hxg5 Tg8 40.g6+ Txg6 41.fxg6+ Kxg6 42.Dg3+ Kh6 43.Ld1 Ta1 44.Dh4 Txd1+ 45.Txd1 Dxh5 46.Df6+ 1-0

Und eine mehrteilige Serie über das Cochrane-Gambit in der Russischen Verteidigung, dass nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sxe5 d6 4.Sxf7 Kxf7 5.d4

entsteht. Dieses Abspiel scheint wie geschaffen für das Fernschach. Die weiße Aufgabe besteht nicht in einer kurzfristigen Attacke, sondern ist langfristiger Natur. Es gilt, das weiße Bauernzentrum zu sichern, die Figuren zu entwickeln und dann behutsam mit den Bauern im Zentrum und am Königsflügel vorzurücken. Für Schachprogramme liegt das alles weit jenseits des Rechenhorizontes. Eigenes Denken ist gefragt.

Insgesamt bietet die Fernschachpost eine schöne Mischung. Die Schachblätter grüßen nach Rostock und wünschen weiter gutes Gelingen.

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