Das lange Warten hat sich gelohnt. Meine Favoriten aus dem Kaissiber 34 sind:
1. Maurits Winds: Hugh Myers (1930-2008)
Ein schöner Nachruf auf einen amerikanischen Urvater des Schach-Underground. The Myers Opening Bulletin war eine dieser Zeitungen, die nur als Ein-Mann-Unternehmen funktionieren konnten und sicher ein Vorläufer von Randspringer und Kaissiber. Ich habe mir vor Jahren Myers‘ berühmtes Buch Nimzovich’s defence to 1. e4 gekauft, allerdings mehr aus romantischen Gründen.
2. Maurits Wind: Mit g5 gegen Englisch: Myers‘ Idee und ihre Folgen
Spätestens damit wird das Heft zur Pflichtlektüre. Ein Versuch, sich dem Unternehmen Laubfrosch systematisch zu nähern.
3. Klaus Kögler: Schachliteratur
Ich weiß gar nicht, ob man die Schachbuch-Rezensionen hier werten darf, mache es aber trotzdem. Klaus Kögler hat diesen für mich wichtigen Heftteil übernommen. Sehr gute Buchbesprechungen, nicht das leider oft übliche Klappentext-Deutsch.
4. Peter Anderberg: Esteban Canal in Leipzig
Das Heft schafft das Kunststück, zu Lew Gutmans Theorie-Artikel über die Canal-Variante im Zweispringerspiel den passenden historischen Artikel zu bringen.
5. Stefan Bücker/Rainer Schlenker: Eine Falle im Franco-Polnischen Gambit
Rainer Schlenker im Kaissiber! Da treffen zwei Charakterköpfe aufeinander.
5 Kommentare
Mein Kommentar dazu:
1. Ein „Nachruf“, dem so gut wie nichts Persönliches entnommen werden kann.
2. Kasparow hat Recht: „Chess is not Skittles.“ +-
g5 geht gegen schwache Spieler einmal gut, mehr aber auch nicht.
3. Wer ist Klaus Kögler? Auch wenn es keine Klappentexte sind, stellt sich doch die Frage, welche Qualifikationen der Verfasser aufweisen kann.
4. Schön, dass wir jetzt wissen, dass Canal 1916 NICHT Stadtmeister von Leipzig war. Gleichwohl hätte man manche der Partien in der Versenkung, in der sie sich befanden, belassen sollen.
5. 1:1 abgeschrieben aus „Bastard-Indisch“. Was soll das? Konnte man die Seite nicht auf andere Weise füllen? Zum Beispiel mit dem Schluss der Reshevsky-Partie, die auf Seite 71 wie „abgeschnitten“ wirkt?
Sorry, aber „Kaissiber“ sehe ich auf dem absteigenden Ast, was im Hinblick auf den kränkelnden Herausgeber makaber klingen mag.
Bin gespannt, welche Auswirkungen das Erscheinen von Jörg Hickls „Schachwelt“ auf dem Zeitschriftenmarkt haben wird.
Printmagazine sind generell auf dem absteigenden Ast, besonders die über Schach und die über Sex. :-)
@Werner Berger:
Ich weiß nichts über Stefan Bückers Erkrankung, aber in der Tat wäre es sehr zu wünschen, dass sein Anteil an der Zeitschrift wieder zunimmt. Ansonsten:
1. Immerhin überhaupt ein Nachruf. Hat hier sonst nur Chessbase geschafft, soweit ich es sehe.
2. Zu diesem Ergebnis kommt Wind ja auch.
3. Fernschach-GM.
4. Mir gefiel die Geschichte und die Verknüpfung zur Theorie-Sektion. Und warum sollte man nicht durch Partien den damaligen Stand des Amateurschachs illustrieren?
Nichts gegen Hugh Myers, aber traurigerweise zählt er wohl zu jenen Persönlichkeiten von denen man zum ersten Mal hört, wenn sie versterben. Ein Nachruf auf jemanden in Europa faktisch völlig unbekannten (Ausnahmen bestätigen die Regel) ist sicher kein publizistischer Höhepunkt.
„Fernschach-GM“ …
Dieses Faß möchte ich hier jetzt nicht aufmachen …