Nachtrag, 3. Mai 2010: Inzwischen ist die Auseinandersetzung zu einem vorläufigen Abschluss gekommen. Ich verweise noch auf eine Zusammenfassung nach einer Woche Diskussion und meine Stellungnahme zu einem als Kompromiss bezeichneten Vorschlag des Präsidenten vom letzten Donnerstag. Auch dieser Vorschlag wurde vor der Mitgliederversammlung noch zurückgezogen. Wie es schließlich ausgegangen ist, könnt ihr hier lesen. Dort findet sich auch eine Darstellung, wie andere Landesschachverbände mit dieser Frage umgehen. Und hier ein ein kleiner Ausblick auf die Schöne-Neue-Anti-Doping-Welt, wie wir sie auf Bundesebene haben — und auf Landesebene gerade noch verhindern konnten.
Liebe Schachfreunde!
Das Präsidium des Landesschachverbandes hat mehrheitlich beschlossen, der Mitgliederversammlung am 2. Mai 2010 in Güstrow eine Änderung der Satzung und die Verabschiedung einer Anti-Doping-Ordnung vorzuschlagen. Erlaubt mir bitte, dazu kurz meine Meinung zu schildern.
1. Es gibt kein Dopingproblem im Schach!
Es gibt meines Erachtens kein Dopingproblem im Schach. Ich spiele seit über 30 Jahren Schach und ich habe noch nie davon gehört, dass jemand versucht hätte, durch Einnahme von Substanzen oder durch bestimmte Verfahren wie Blutmanipulationen seine Leistung im Schach zu verbessern. Es gibt keine einzige ernstzunehmende Studie, in der festgestellt wird, dass so etwas überhaupt möglich wäre. Es gibt deshalb auch keinen eigenen Katalog von verbotenen Stoffen oder Methoden für das Schach – weil niemand wüsste, was er in einen solchen Katalog hineinschreiben sollte. Schachspieler sollen wie Radfahrer oder Gewichtheber behandelt werden.
2. Die Anti-Doping-Ordnung ist unverhältnismäßig!
Schach in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Amateursport. Es ist gerade das Schöne an unserem Spiel, dass es von allen Menschen gespielt werden kann, egal ob alt oder jung, Frau oder Mann, arm oder reich. Die Anti-Doping-Ordnung soll für jeden gelten, der im Zuständigkeitsbereich des Landesschachverbandes Schach spielt, also im Ligabetrieb, im Pokal oder bei Meisterschaften. Die Anti-Doping-Ordnung unterwirft jeden Schachspieler einem Kontrollregime. Er muss sich informieren, welche Stoffe und Methoden verboten sind – auf einer Internetseite in englischer Sprache! Wenn ihm der Arzt solche Stoffe verschreiben will, weil er vielleicht an einer Herzerkrankung oder einer psychischen Krankheit leidet, muss er sich das genehmigen lassen, bevor er das Medikament einnimmt. Er muss sich auf Urin und Blut kontrollieren lassen, wenn das die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) oder der Deutsche Schachbund (DSB) anordnen. Das gilt auch im Training. Wollen wir das? Nur weil wir Schach spielen wollen?
3. Die Anti-Doping-Ordnung ist ein Eingriff in die Verbandsdemokratie!
Die geplante Anti-Doping-Ordnung des Landesschachverbandes soll einfach alle Regelungen übernehmen, die der Deutsche Schachbund, die NADA und die World Anti-Doping Agency (WADA) verabschiedet haben und noch verabschieden werden. Die Mitglieder des Landesschachverbandes haben dann keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr darauf, was als Doping gilt, wie kontrolliert und wie bestraft wird. Der Vollzug der Anti-Doping-Ordnung wird dem DSB übertragen. Über Änderungen der Anti-Doping-Ordnung des Landesschachverbandes darf die Mitgliederversammlung nicht mehr bestimmen, als einzige Ordnung im Landesschachverband entscheidet darüber allein mit einfacher Mehrheit das Präsidium. Das Landesschiedsgericht wird in diesem Bereich keine Zuständigkeiten haben.
4. Die Anti-Doping-Ordnung wird neue Schachspieler abschrecken und alte vertreiben!
Für Verstöße gegen die Ordnung sind Sanktionen vorgesehen. Wer sich zum Beispiel einer Kontrolle verweigert oder unerlaubt Medikamente nimmt, die auf der Dopingliste stehen oder wer (strafrechtlich nicht verbotene Drogen) wie Marihuana konsumiert, kann gesperrt und mit einer Geldstrafe von mindestens 100 Euro belegt werden. Wer Kaderspieler ist, muss dafür unterschreiben, bei Minderjährigen müssen die Eltern unterschreiben. Wird das das Schach attraktiver machen? Ich kann für mich nur erklären, dass ich nicht unter Aufsicht eines Kontrolleurs in einen Plastebecher pullern werde. Ich werde auch meine Erkrankungen nicht bekanntgeben. Wenn das von mir verlangt wird, ist meine Schachlaufbahn zu Ende.
5. Die Anti-Doping-Ordnung kann teuer werden!
Der Landesschachverband hat keinen Einfluss darauf, ob und wie kontrolliert wird. Die NADA finanziert sich natürlich aus den Kontrollen. Die Kosten von Dopingkontrollen belaufen sich auf einen dreistelligen Betrag pro Person und sollen vom Landesschachverband getragen werden. Wenn es der NADA also mal einfallen sollte, einen Landesligakampf zu kontrollieren, ist der Haushalt unseres Verbands gesprengt. Niemand kann verbindlich garantieren, dass das nicht passieren wird – oder wozu brauchen wir sonst eine Anti-Doping-Ordnung?
6. Warum dann eigentlich diese Ordnung?
Die Befürworter der Anti-Doping-Ordnung sagen natürlich selbst, dass wir diese Ordnung nicht brauchen. Niemand glaubt ja ernsthaft an ein Dopingproblem im Schach. Argumentiert wird nur damit, dass uns sonst die öffentliche Sportförderung verlorengeht. Es geht nur ums Geld. Ich sage darauf: Erstmal möchte ich ein Papier sehen, in dem ein Geldgeber des Landesschachverbandes oder der Vereine verlangt, dass wir eine Anti-Doping-Ordnung haben. Dann möchte ich wissen, um welche Beträge es sich handelt. Und dann erst kann man entscheiden, ob man die geschilderten Nachteile durch die Anti-Doping-Ordnung in Kauf nehmen möchte. Ganz deutlich: Ich halte es für Opportunismus und Heuchelei, eine Ordnung zu verabschieden, die man gar nicht anwenden möchte. Dann würde ich lieber auf das Geld verzichten. Das Ehrenamt an der Basis ist sowieso nicht bezahlbar.
7. Wir sind nicht allein!
Das Schach in Mecklenburg-Vorpommern wird auch ohne Anti-Doping-Ordnung weitergehen. Bayern und Hessen werden keine solche Ordnung verabschieden, Berlin hat die Frage vertagt. Uns wird deswegen schon niemand aus dem DSB werfen.
Die vorgeschlagene Anti-Doping-Ordnung setzt eine Satzungsänderung voraus, für die eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Der Greifswalder Schachverein wird gegen die Satzungsänderung und gegen die Anti-Doping-Ordnung stimmen.
Danke für eure Aufmerksamkeit!
Stefan Kalhorn
Stellvertretender Vorsitzender des Greifswalder Schachvereins
Vorsitzender des Schiedsgerichts des Landesschachverbandes
Greifswald, den 20.4.2010
177 Kommentare
Das Beispiel der „alten Tante“ ist ja nicht schlecht, aber vielleicht sollte man lieber sagen, hier waren 5 oder mehr „alte Tanten“ im Raum und eine Unterscheidung ist eher schwierig, welche hier genau so riecht. (Vielleicht haben mehrere Frauen einen ähnlichen Duft oder sogar das selbe Parfüm.)
Naja, was will ich damit sagen: das o. g. Zitat kann von fast jeder demokratischen Partei kommen … ist also allgemeingültig, als zu keiner bestimmten Strömung zuzurechnen ud daher parteipolitisch völlig neutral.
Fazit: schlechtes Beispiel … bitte neues ausdenken
„Völker, hört die Signale…“ Pardon, das stand NICHT drin.
Leute, wenn wir nicht so ein ernstes Thema zu verhandeln hätten, würde ich mich ja gern dazu äußern, ob wir Gender Mainstreaming im LSV brauchen. Aber leider leider ist mir gar nicht nach Scherzen zumute.
habe ich gefunden auf der Homepage des DSB.
@Stefan:
Spannende News beim DSB. Bleibt abzuwarten bzw. zu hinterfragen, was dies für die Provinz im Nordosten der Republik bedeutet ;)
@MiBu:
Was stört dich genau an den Zitaten? Ich habe mich mal spontan auf die Suche nach „Bürgergesellschaft“ gemacht:
Bürgergesellschaft
Wiki
CDU
SPD
FDP (liberale BG)
B90 – Die Grünen
Die Linke (evtl. überaltet)
Ich gebe gerne zu, dass ich nicht alle Artikel gelesen habe, gehe aber davon aus, dass es keine Partei gibt, die die Bürgergesellschaft ausschließt – sicherlich haben alle kleine andere Vorstellungen über die Ausprägung … ist aber bei uns Schachspielern ziemlich unwichtig ;)
@Adju: Man könnte ja fast auf die Idee kommen, dass der DSB auf diese Diskussion hier reagiert ;-) Auf meine E-Mail reagieren sie jedenfalls nicht, aber vielleicht steht ein solcher Umgang mit ihren Mitgliedern und Beitragszahlern ja in ihrem Leitbild.
Es gab eine Mail von Metzing heute Mittag (für Dich an die web.de-Adresse). Es wird darauf verwiesen, dass der Vertrag dem Präsidenten des LSV MV zugesandt wurde. Ich interpretiere das so, das keine besonderen Geheimhaltungspflichten bestehen und es Aufgabe des Präsidenten gewesen wäre, die Vereine im Vorfeld der Mitgliederversammlung angemessen rechtzeitig solche für die Entscheidungen relevanten Informationen zuzustellen.
@Adju: Werde ich nicht erklären, da ich rein sachliche und unpolitische Beiträge in Aussicht gestellt habe und in gewisser Weise schon wortbrüchig geworden bin. Zudem glaube ich, dass meine Erklärungen kaum von Erfolg gekrönt wären in dem Sinne, dass jemand die selben Schluckbeschwerden dabei entwickelt wie ich, der sie vorher nicht hatte. Was ich aber sagen kann ist, dass es in erster Linie auch gar nicht ein konkreter Satz oder ein Ausdruck ist, an dem ich Anstoß nehme, sondern das Gesamtwerk von neun Seiten, das eine extensive Analyse jeder Sentenz m.E. gar nicht verdient hat. In einem aber hast Du natürlich recht: Schwafeln, Phrasen dreschen und relativ sinnfreie Schlagworte gebrauchen können auch die anderen Parteien gut, wie ich gerade wieder an so ziemlich jeder Straßenlaterne nachlesen kann – es ist Landtagswahlkampf in NRW. (Ich hoffe der Beitrag war ausgewogen genug, um als „fast unpolitisch“ durchzugehen.)
Aber jetzt halte ich hier endgültig die Klappe zu dieser speziellen Thematik, denn: Das Leitbild mag gut oder schlecht, brauchbar oder unbrauchbar, notwendig oder überflüssig sein – ist vielleicht gar nicht so wichtig. Die Versammlung nimmt es an oder auch nicht – ist womöglich auch nicht so wichtig, da damit keinerlei praktische Folgen verbunden sein dürfte. Das Leitbild mit seinen Allgemeinplätzchen ist ein Symbol (oder vielleicht besser eine Duftmarke, wenn ich die Parfum-Metapher noch mal aufnehmen darf) und mehr nicht, denn es regelt weder Spielbetrieb (man sehe NRs Hinweis auf TO-Änderungen, die keine Beachtung in der Diskussion finden – da hat der Mann recht) noch sonst was. Zankapfel und Stolperstein ist das Leitbild letztlich eher nicht.
Ich wage aber noch eine Prognose zu dieser Fernseh-Geschichte: Es wird weder von dopenden Schächern, die ihre Vergehen nicht sanktionieren wollen, die Rede sein noch vom Sieg der Vernuft. Das Fernsehen lebt von Bildern, und die besten Bildern werden die mit den heftigsten Gemütsregungen sein. Die Fernsehmacher werden auf wutentbrannte Delegierte hoffen, die lautstark ihren Rücktritt erklären oder sich gegenseitig zum Totengräber des Schachs erklären etc. etc. In der Außenwirkung bleiben wir so oder so die Freaks mit dem etwas abseitigen Hobby.
Wenn der NDR kommt, dann kann ich nur hoffen, dass es die Jungs von Extra 3 sind. ;-)
@HL:
Ein sinnvoller Beitrag (z. B. im Nordmagazin) würde uns sicherlich mehr helfen. Wenn wir es wirlich zu Extra 3 schaffen, dann benötigen wir ne Menge Humor ;)
@MiBu:
Lese ich da bezüglich des politischen Ausdrucks des Leitbilds bei dir richtig, dass du es jetzt als parteipolitisch (eher) neutral ansiehst? Das ist schön … über den Sinn dieses gesamten Leitbilds lässt sich natürlich grundsätzlich streiten und so richtig kann ich mit den vielen Seiten (noch) nichts anfangen … mal sehen wie darüber am Sonntag entschieden wird.
@all:
Viel interessanter ist ja auch das eigentliche Thema ADO in diesem Beitrag. Bis Sonntag sind noch ein paar Tage Zeit und vielleicht lassen sich bis dahin noch einige offene Fragen klären …
Dazu eine Aufschlüsselung:
Unter den Informationen vom Schatzmeister“ beim DSB enden leider die belastbaren Jahresabschlüsse 2006.
Nehmen wir mangels Besserem den dort abgelegten Plan 2008, so belaufen sich die Gesamteinnahmen auf € 938.350. Als Sportfördermittel des Bundes tauchen dort noch € 25.000 auf, in Wirklichkeit waren es offenbar, geht man von der Berichterstattung zur Doping-Rückzahlung aus, nur € 17.500. Allerdings sind vermutlich auch die Gesamteinnahmen geringer, da der Mitgliederschwund fortschreitet. Jedenfalls machen die Sportfördermittel des Bundes ca. 2% des Gesamtetats aus.
Die Rückzahlung wegen nicht existierender Dopingordnung beläuft sich auf ca. 0,3%= 3 Promille des Gesamtetats.
Auf ca. 1/6 kommt man, falls man noch die für Mittel für
-Sportdirektor DSB, Bundestrainer, Bundesnachwuchstrainer
-Kostenübernahme Aushilfe Wirtschaftsdienst GmbH
-Zuschuss der Sportjugend fürDSJ-Geschäftsführer
-Kostenerstattung ECU für Sekretariat und Aushilfen
-Zuschüsse BMI für FIDE-Trainer-Akademie Berlin (FTA Berlin)
-Zuschüsse BMI für Personal- und Verwaltungskosten des ECU-Sekretariats
hinzurechnet. Allerdings spielten diese Posten für das Bundesministerium des Innern keine Rolle bei der Zugrundelegung der Rückzahlungen 2008 wegen fehlender Dopingordnung; die Bezeichnung „Sportförderung“ für die Gesamtsumme darf man daher wohl als sachlich falsch bewerten, sie ist aufgrund des Gesagten nur den Haushaltspositionen 2320 und 2321 zuzuordnen.
Die Vertreter des Landesverbandes bei den DSB-Kongressen sollten genauere Zahlen besitzen (warum die Infos der DSB-Homepage so veraltet sind, weiß ich nicht). Besondere Bedeutung für die Vereine dürfte die Verwendung der Anfang 2009 vorfristig vom NRW-Verband überwiesenen Beiträge an den DSB haben. Hier wäre zu klären, ob diese haushaltstechnisch nur eine bedeutungslose Fristverlagerung oder aber einen Kredit darstellen, ohne den der DSB Zahlungsverpflichtungen bis zum Kongress 2009 nicht hätte leisten können. Im letzteren Fall wäre zu erörtern, ob für den LSV MV die DSB-Mitgliedschaft angesichts drohender Insolvenz weiter vertretbar ist. Da der Präsident des LSV MV vor dem Kongress über diesen Sachverhalt informiert wurde, gehe ich davon aus, dass er hier auf Nachfrage Klarheit schaffen kann.
@rank zero
Die Vereine oder Mitgieder hätten auch die Möglichkeit gehabt, vor zwei oder einem Jahr die Diskussion zu führen. Wir haben auf der HP des Verbandes rechtzeitig informiert, was auf der Mitgliederversammlung 2010 beschlossen werden soll. Fragestellungen wurde thematisiert und aufbereitet. Warum taucht der Bedarf auf Vertragseinsicht erst jetzt auf? Der Vertrag ist seit zwei Jahren bekannt.
Der DSB hat keine Insolvenzverschleppung oder eine drohende Insolvenz durchlebt. Die Rechnungsprüfer haben dieses auf dem Kongress 2009 eindeutig geklärt. Fakt ist, dass die Finanzen des DSB teilweise sehr knapp waren. Die NRW Gelder waren kein Kredit, sondern eine Fristverlagerung von Beiträgen um einem Monat. Ich denke, dass die Vermutung somit sich erledigt hat.
@rank zero
Was würde uns ein Austritt aus dem DSB bringen? Keine DWZ Auswertungen, Teilnahmen an DEMs, 2. BL, Pokal, Jugendmeisterschaften, Senioren DLMs uvm., Will das wirklich einer ernsthaft diskutieren?
Der NDR wird für das Nordmagazin berichten. Ich nehme an, dass der Beitrag gleich am Abend des 2. Mai um 19:30 Uhr zu sehen sein wird. Die FAZ ist auch auf die Diskussion aufmerksam geworden und überlegt ebenfalls an der Mitgliederversammlung teilzunehmen.
@Niklas: Ich verstehe deine Einlassung überhaupt nicht und ich habe auch wenig Verständnis dafür.
1. Der Entwurf der Anti-Doping-Ordnung ist nicht seit zwei Jahren bekannt (mir jedenfalls nicht), sondern erst seit ein paar Wochen. Er wurde mit der Einladung zur Mitgliederversammlung verschickt. Ist es nicht normal, dass man dann darüber diskutiert? Warum sollte ein Diskussion jetzt nicht mehr zulässig sein?
2. Der Vertrag des DSB mit der NADA ist auch nicht seit zwei Jahren bekannt. Genauer gesagt: Er ist bis heute nicht bekannt. Wurde er veröffentlicht? Hast du ihn schon mal gesehen? Wann denn das erste Mal? Ich habe ihn überhaupt noch nicht gesehen.
Und ich interpretiere dich so, dass das auch so bleiben soll.3. Wenn du die einschlägigen Schachblogs (unter anderem dieses hier) und Schachforen verfolgen würdest, würdest du merken, dass das Thema Doping dort seit Jahren eine herausragende Rolle spielt. Den Schuh ziehe ich mir nicht an. Wenn man allerdings nur die DSB-Seite liest, sieht es natürlich anders aus.
Nochmals: Der Vertrag ist zentral. Du argumentierst damit. Das finanzielle Risiko für den Landesschachverband ist ein wichtiges Entscheidungskriterium und hängt damit zusammen, ob und inwieweit Dopingkontrollen rechtlich ausgeschlossen sind. Solche Dokumente den Mitgliedern des LSV und den Delegierten der MV nicht oder zu spät zugänglich zu machen, sollte nicht die Art eines demokratisch verfassten Schachverbandes sein.
Also: Wann sehe ich den Vertrag?
@NR: Danke. Zum DSB: Natürlich steht das Thema, ob eine Zukunft mit dem DSB möglich ist, auf der mittelfristigen Tagesordnung – nicht umsonst haben die Bayern ja schon detailliert darüber nachgedacht. Für den LSV MV stellt sich die Frage, wie weit man sich organisatorisch und finanziell in Geiselhaft begeben möchte. Organisatorisch zeigt die aktuelle Debatte den Schaden auf: Obwohl sachlich nicht begründet (s. Stefans Erläuterungen zum NADA-Code), sind Extremordnungen von oben an die Landesverbände durchgereicht worden. Das geht bis zu den (noch zu klärenden) Absprachen und Vorgaben zu Satzungsänderungen in den Ländern, die offensichtlich in der Kompetenz der Mitglieder liegen. Finanziell hat der DSB seine Glaubwürdigkeit verspielt: Obwohl der Mitgliederschwund seit Jahren absehbar und kontinuierlich verläuft, fehlen entsprechende Konsequenzen auf der Ausgabenseite. Statt dessen gibt es immer wieder Luftschlösser und gebrochene Zusagen (ich erinnere nur an den Olympiazuschlag), die nur durch Beitragserhöhungen kompensiert werden können. Natürlich betrifft uns das.
Inhaltlich bringt die Antwort die Sache auf den Punkt: Wir sind in MV interessiert an einem funktionierenden Wertzahlsystem im DSB und einem effektiven überregionalen Spielsystem. Mehr nicht. Unsere Vertreter sollten also darauf hinwirken, dass sich der Schachbund auf diese Aufgaben konzentriert (gegenwärtig wird die übergroße Menge der Ressourcen nicht in diesem Sinne verwendet). Wenn mittelfristig die Entwicklung nicht in diese Richtung verläuft, muss man auch darüber nachdenken, wie sinnvoll die Mitgliedschaft für uns ist. Und damit diese Diskussion nicht endlos läuft (sie ist inhaltlich sehr alt) muss man eben Termine setzen – sagen wir, vier Jahre, dann überprüft man, in welche Richtung sich der Verband in dieser Zeit entwickelt hat, und entscheidet (bis dahin kann man prüfen /strukturieren, ob DWZ und Spielsystem auch im Rahmen von Kooperationen außerhalb der Mitgliedschaft realisierbar sind; DWZ-Verwaltung etwa erfolgt verteilt, da muss man eben nur die Beiträge für DWZ-Referenten und die zentrale Datenbank klären).
Gerade in der Frage der Dopingordnungen sieht man, was passiert, wenn der DSB einen Blankoscheck hat (oder sich jedenfalls so verhält).
Wir können uns hier im Post aber auch die Frage DSB ausklammern (wäre mir im Sinne der Konzentration lieber) und einfach davon ausgehen, dass der Vorstand diverse Satzungsänderungen und eine neue Ordnung vorgelegt hat, deren Auswirkungen auf den Landesverband weitreichend sind. Man müsste dann eben nur darauf verzichten, sich immer darauf zurückzuziehen, dass ja wegen des DSB-Vertrags alles nicht so schlimm wird – eines Vertrags, dessen Gestaltung sich zumindest künftig außerhalb unseres Einflusses befindet.
1. Die Berichte über die zunehmende Anzahl von Menschen, die Drogen einnehmen, um von außen oder an sich selbst gestellten Anforderungen zu genügen, erschrecken mich. Ich begrüße dazu geleistete Aufklärungsarbeit, auch von Schachvereinen oder -verbänden. Einer Zunahme selbstzerstörerischen Handelns muss nicht tatenlos zugesehen werden. Auch der LSV MV mag sich hierzu öffentlich erklären.
2. Ein leistungssteigernder Einfluss von Drogen auf das Wettkampfschach ist bisher nicht nachgewiesen. Natürlich gibt es gute Gründe für eine solche Vermutung. In dieser Diskussion wurde aber auch auf eine gegenteilige praktische Beobachtung im Zusammenhang mit der Einnahme von Betablockern vor einer Turnierpartie hingewiesen, ebenso auf Beobachtungen an Prüfungskandidaten für das Fach Mathematik unter dem Einfluss von Ritalin. Wir wissen es nicht. Unwissen ist eine gute Grundlage für wilde Spekulationen und lebhaften Austausch von Unterstellungen, nicht jedoch für sachlich begründete Enscheidungen.
Der hessische LSV hat daraus den richtigen Schluss gezogen, dass wissenschaftlicher Klärungsbedarf besteht. Ich würde mir wünschen, dass unser Verband in MV diese Enscheidung aus Hessen ausdrücklich begrüßt und die Entscheidung über ADO und entsprechende Satzngsänderung vertagt, bis die dortigen Ergebnisse vorliegen.
3. Ich vermag nicht zu beurteilen, wie es im Bereich der höhere Spielstärken ist. Was den Bereich meiner Spielstärke angeht, untere Hälfte Landesligamannschaft M-V, halte ich es für wesentlich einfacher, durch andere unfaire Methoden, wie Hinweise von Zuschauern, Blick ins Buch oder den Computer während der Partie zu betrügen als durch die Einnahme von Drogen.
Da die Kontrolle der WCs während der Partie, eine laufende technische Ãœberwachung des Turniersaals auf elektronische Geräte oder ähnliches, von niemandem ernsthaft in Betracht gezogen wird, halte ich die Durchführung von Dopingkontrollen zumindest ab Landesliga abwärts für völlig unverhältnismäßig. Es sollten deshalb auch keine Regelungen eingeführt werden, die für die Zukunft die Einführung solcher Kontrollen ermöglichen.
Auf der anderen Seite besteht, je mehr es im Bereich höherer Spielstärken um Geld geht, auch der zukünfige Gewinn zahlungskräftigerer Sponsoren wäre ja kein unvernünftiges Ziel, ein nachvollziehbares Interesse sich hier den international üblichen Maßstäben der Dopingkontrolle zu unterwerfen. Den Inhalt dieser international üblichen Regeln wird der LSV MV kaum beeinflussen können.
Ich hielte es für sinnvoll, gründlich zu erwägen, wo die Grenze gezogen werden kann, um den besonderen Erfordernissen der Breite und der Spitze gerecht zu werden. Es sollte möglich sein, hier einen Kompromiss zu finden, der sachlich begründet und nach außen vertreten werden kann.
Danke für den ausgewogenen Kommentar, Martin!
Genau so sehe ich das auch und füge hinzu, dass es eine Ãœbergangsregelung geben sollte, wie ich sie schon vorschlug (a la: Der LSVMV behält sich vor, auf höherer Ebene ausgesprochene Sperren für die eigenen Turniere zu übernehmen).
Und dann eben Wiedervorlage 2014 (oh, das schrieb ich auch schon so ähnlich). Wäre es nicht schön, wenn sich bei der Polarisierung, die diese Diskussion bisweilen erfährt, ein gemäßigter Standpunkt durchsetzte? Manchmal sind die Kompromisse optimal, bei denen alle Beteiligten gleichermaßen unzufrieden nach Hause gehen.
@Losso: Ich bin ja der Meinung, dass ich einen gemäßigten Standpunkt vertrete und die Befürworter der Anti-Doping-Ordnung einen radikalen Standpunkt. Ich halte es für normal, dass der Landesschachverband die Persönlichkeitsrechte (wir reden hier von Grundrechten!) seiner Mitglieder wahrt und schützt und nicht unnötig darin eingreift. Erst recht, wenn es um die Rechte von kranken Menschen und Kindern geht.
Kein Arbeitgeber darf nach Erkrankungen seiner Arbeitnehmer fragen (von engen Ausnahmen abgesehen, zum Beispiel Hauterkrankungen bei Laboranten u.ä.). Aber der Landesschachverband darf verlangen, dass ein Bezirksligaspieler seine Erkrankungen und Medikamente offenlegt? Ein Kind mit ADHS muss seine Ritalinverordnung bei jedem Schach-Wettkampf mitführen und auf Verlangen vorzeigen? Die Eltern müssen damit einverstanden sein? Die Eltern müssen damit einverstanden sein, dass ein Kontrolleur ihr Kind beim Urinieren beobachtet? Dazu nach eigenem Ermessen eine dritte Person zuziehen darf, auch gegen den Willen des Kindes? Die Jugendtrainer müssen darüber belehren? Hier geht jedes Maß verloren.
Ich bin mir einigermaßen sicher, dass die ADO in ihrer jetzigen Form gegen höherrangiges Recht verstößt. Nicht umsonst schließt der DSB (der sie vollziehen soll) für Streitigkeiten darüber den ordentlichen Rechtsweg aus. Warum eigentlich?
Es ist nicht so, dass ich nicht kompromissbereit wäre. Ich könnte damit leben, wenn die ADO den Athletenbegriff im Sinne des NADA-Codes definieren würde, also auf Nationalspieler und Teilnehmer an Deutschen Meisterschaften beschränken. Dieser Personenkreis unterliegt ja ohnehin der DSB-Gesetzgebung. Einen Kompromissvorschlag des Präsidiums habe ich noch nicht gehört.
der Kompromissvorschlag klingt sinnvoll, auch an anderer Stelle hast du eine gemäßigte Position vertreten, die man aufgreifen kann. Das Präsidium kann allerdings (noch) keinen eigenen Kompromissvorschlag anbieten, dazu müsste man so etwas erst mal besprechen. Alleingänge einzelner Personen wären da nicht so gut, insofern ist dies nur meine persönliche Meinung
Der Kompromissvorschlag des LSV
E-Mail vom 29.04.2010 um 15:17 Uhr an alle Vereine des LSV M-V
Nachdem Niklas und ich mit dem LSB und dem DSB gesprochen haben, besteht für uns diese Möglichkeit, die aus meiner ganz persönlichen Sicht aufgrund der begrenzten Zeit, die uns zur Verfügung stand, nicht endgültig ausgereift, aber ersteinmal ausreichend ist. Ich hoffe, dass dies im Interesse der Schachfreunde unseres Landes ist.
Aktualisierung: Niklas hat mir inzwischen per Mail den Vertrag zwischen der NADA und dem DSB übermittelt, der ihm offenbar per Post (!) geschickt worden war. Letzteres wusste ich nicht. Ich nehme deshalb den Vorwurf zurück, dass mir dieser Vertrag vorenthalten werden sollte und entschuldige mich dafür.
Bis jetzt weiß ich nicht, ob ich aus dem Vertrag zitieren darf. Zu der neuen Entwicklung schreibe ich noch heute einen neuen Eintrag, sobald ich die Unterlagen gesichtet habe. Nach allem, was ich bis jetzt gelesen habe, fürchte ich aber, dass sich in der Sache nichts geändert hat.
Folgendes ist vielleicht noch von Interesse: Vor kurzem fand der Kongress 2010 des LV NRW statt. Bei der Suche nach dem Protokoll dieser Versammlung fand ich nur das vom Kongress 2009 und musste feststellen, dass die entsprechende Satzungsänderung zum Thema Anti-Doping damals schon vollzogen worden war [war mir bis dato nicht bewusst]. (Widerspruch war aus dem Verband des neuen Vizepräsidenten DSB wohl auch nicht zu erwarten.) Allerdings muss man auch sagen, dass die Änderung in NRW mehr deklaratorischer Natur ist. Näheres ist hier (pdf) nachzulesen (letzte Seite). Eine eigene ADO scheint man sich verkniffen zu haben.
Vor allem hat man die ADO des DSB nicht für den LSV NRW für anwendbar erklärt — wie es hier geschehen soll. Der Satz in NRW ist reine Programmlyrik ohne jede rechtliche Bedeutung. Wenn das alles ist, was in NRW verabschiedet worden ist, gibt es auf Landesebene kein Anti-Doping-Regelwerk. Ãœberhaupt fällt auf, dass die anderen Landesverbände sehr zögerlich agieren, wenn es darum geht, ihre lokale ADO zu veröffentlichen…
Zur aktuellen Entwicklung und zu dem jetzt vorgelegten Vertrag habe ich in diesem Artikel etwas geschrieben.
Zur Lage in den anderen Landesschachverbänden ist hier eine Aufstellung, die jedenfalls deutlich macht, dass die strikte Politik von Niklas und Paul im Vergleich der Landesverbände eher die Ausnahme ist.
Hier ist eine vorläufige Bilanz unserer Diskussion.
»Praktisch unerforscht sind derzeit noch die Auswirkungen von Gehirn-Doping.«
Ist man in den letzten Jahren wirklich keinen Schritt weitergekommen… :o