Offener Brief an alle Mitglieder des Landesschachverbandes Mecklenburg-Vorpommern

Nachtrag, 3. Mai 2010: Inzwischen ist die Auseinandersetzung zu einem vorläufigen Abschluss gekommen. Ich verweise noch auf eine Zusammenfassung nach einer Woche Diskussion und meine Stellungnahme zu einem als Kompromiss bezeichneten Vorschlag des Präsidenten vom letzten Donnerstag. Auch dieser Vorschlag wurde vor der Mitgliederversammlung noch zurückgezogen. Wie es schließlich ausgegangen ist, könnt ihr hier lesen. Dort findet sich auch eine Darstellung, wie andere Landesschachverbände mit dieser Frage umgehen. Und hier ein ein kleiner Ausblick auf die Schöne-Neue-Anti-Doping-Welt, wie wir sie auf Bundesebene haben — und auf Landesebene gerade noch verhindern konnten.

Liebe Schachfreunde!

Das Präsidium des Landesschachverbandes hat mehrheitlich beschlossen, der Mitgliederversammlung am 2. Mai 2010 in Güstrow eine Änderung der Satzung und die Verabschiedung einer Anti-Doping-Ordnung vorzuschlagen. Erlaubt mir bitte, dazu kurz meine Meinung zu schildern.

1. Es gibt kein Dopingproblem im Schach!

Es gibt meines Erachtens kein Dopingproblem im Schach. Ich spiele seit über 30 Jahren Schach und ich habe noch nie davon gehört, dass jemand versucht hätte, durch Einnahme von Substanzen oder durch bestimmte Verfahren wie Blutmanipulationen seine Leistung im Schach zu verbessern. Es gibt keine einzige ernstzunehmende Studie, in der festgestellt wird, dass so etwas überhaupt möglich wäre. Es gibt deshalb auch keinen eigenen Katalog von verbotenen Stoffen oder Methoden für das Schach – weil niemand wüsste, was er in einen solchen Katalog hineinschreiben sollte. Schachspieler sollen wie Radfahrer oder Gewichtheber behandelt werden.

2. Die Anti-Doping-Ordnung ist unverhältnismäßig!

Schach in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Amateursport. Es ist gerade das Schöne an unserem Spiel, dass es von allen Menschen gespielt werden kann, egal ob alt oder jung, Frau oder Mann, arm oder reich. Die Anti-Doping-Ordnung soll für jeden gelten, der im Zuständigkeitsbereich des Landesschachverbandes Schach spielt, also im Ligabetrieb, im Pokal oder bei Meisterschaften. Die Anti-Doping-Ordnung unterwirft jeden Schachspieler einem Kontrollregime. Er muss sich informieren, welche Stoffe und Methoden verboten sind – auf einer Internetseite in englischer Sprache! Wenn ihm der Arzt solche Stoffe verschreiben will, weil er vielleicht an einer Herzerkrankung oder einer psychischen Krankheit leidet, muss er sich das genehmigen lassen, bevor er das Medikament einnimmt. Er muss sich auf Urin und Blut kontrollieren lassen, wenn das die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) oder der Deutsche Schachbund (DSB) anordnen. Das gilt auch im Training. Wollen wir das? Nur weil wir Schach spielen wollen?

3. Die Anti-Doping-Ordnung ist ein Eingriff in die Verbandsdemokratie!

Die geplante Anti-Doping-Ordnung des Landesschachverbandes soll einfach alle Regelungen übernehmen, die der Deutsche Schachbund, die NADA und die World Anti-Doping Agency (WADA) verabschiedet haben und noch verabschieden werden. Die Mitglieder des Landesschachverbandes haben dann keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr darauf, was als Doping gilt, wie kontrolliert und wie bestraft wird. Der Vollzug der Anti-Doping-Ordnung wird dem DSB übertragen. Über Änderungen der Anti-Doping-Ordnung des Landesschachverbandes darf die Mitgliederversammlung nicht mehr bestimmen, als einzige Ordnung im Landesschachverband entscheidet darüber allein mit einfacher Mehrheit das Präsidium. Das Landesschiedsgericht wird in diesem Bereich keine Zuständigkeiten haben.

4. Die Anti-Doping-Ordnung wird neue Schachspieler abschrecken und alte vertreiben!

Für Verstöße gegen die Ordnung sind Sanktionen vorgesehen. Wer sich zum Beispiel einer Kontrolle verweigert oder unerlaubt Medikamente nimmt, die auf der Dopingliste stehen oder wer (strafrechtlich nicht verbotene Drogen) wie Marihuana konsumiert, kann gesperrt und mit einer Geldstrafe von mindestens 100 Euro belegt werden. Wer Kaderspieler ist, muss dafür unterschreiben, bei Minderjährigen müssen die Eltern unterschreiben. Wird das das Schach attraktiver machen? Ich kann für mich nur erklären, dass ich nicht unter Aufsicht eines Kontrolleurs in einen Plastebecher pullern werde. Ich werde auch meine Erkrankungen nicht bekanntgeben. Wenn das von mir verlangt wird, ist meine Schachlaufbahn zu Ende.

5. Die Anti-Doping-Ordnung kann teuer werden!

Der Landesschachverband hat keinen Einfluss darauf, ob und wie kontrolliert wird. Die NADA finanziert sich natürlich aus den Kontrollen. Die Kosten von Dopingkontrollen belaufen sich auf einen dreistelligen Betrag pro Person und sollen vom Landesschachverband getragen werden. Wenn es der NADA also mal einfallen sollte, einen Landesligakampf zu kontrollieren, ist der Haushalt unseres Verbands gesprengt. Niemand kann verbindlich garantieren, dass das nicht passieren wird – oder wozu brauchen wir sonst eine Anti-Doping-Ordnung?

6. Warum dann eigentlich diese Ordnung?

Die Befürworter der Anti-Doping-Ordnung sagen natürlich selbst, dass wir diese Ordnung nicht brauchen. Niemand glaubt ja ernsthaft an ein Dopingproblem im Schach. Argumentiert wird nur damit, dass uns sonst die öffentliche Sportförderung verlorengeht. Es geht nur ums Geld. Ich sage darauf: Erstmal möchte ich ein Papier sehen, in dem ein Geldgeber des Landesschachverbandes oder der Vereine verlangt, dass wir eine Anti-Doping-Ordnung haben. Dann möchte ich wissen, um welche Beträge es sich handelt. Und dann erst kann man entscheiden, ob man die geschilderten Nachteile durch die Anti-Doping-Ordnung in Kauf nehmen möchte. Ganz deutlich: Ich halte es für Opportunismus und Heuchelei, eine Ordnung zu verabschieden, die man gar nicht anwenden möchte. Dann würde ich lieber auf das Geld verzichten. Das Ehrenamt an der Basis ist sowieso nicht bezahlbar.

7. Wir sind nicht allein!

Das Schach in Mecklenburg-Vorpommern wird auch ohne Anti-Doping-Ordnung weitergehen. Bayern und Hessen werden keine solche Ordnung verabschieden, Berlin hat die Frage vertagt. Uns wird deswegen schon niemand aus dem DSB werfen.

Die vorgeschlagene Anti-Doping-Ordnung setzt eine Satzungsänderung voraus, für die eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Der Greifswalder Schachverein wird gegen die Satzungsänderung und gegen die Anti-Doping-Ordnung stimmen.
Danke für eure Aufmerksamkeit!

Stefan Kalhorn
Stellvertretender Vorsitzender des Greifswalder Schachvereins
Vorsitzender des Schiedsgerichts des Landesschachverbandes
Greifswald, den 20.4.2010

177 Kommentare

Werner Berger 20. April 2010

Gut gebrüllt, Löwe! Besonders wichtig: Punkt 7. Das war mir neu. Kein Wunder, dass der DSB das nicht kommuniziert.
Aber ob`s was nutzen wird? Ich fürchte, dass die Masse mit dem Strom schwimmen wird!

CBartolomaeus 20. April 2010

Vielen Dank für den Brief! Ich kann mich dem Inhalt nur aus ganzem Herzen anschließen.

Als ich mir neulich den Entwurf der Anti-Doping-Ordnung ansah, kam mir übrigens der Punkt 2.2 Absatz a) besonders absurd vor. Er lautet:

[Der Landesschachverband MV erkennt an:] die Pflicht eines jeden Athleten und Athletenbetreuers zur Kenntnis der jeweils gültigen Liste der verbotenen Substanzen und Methoden der WADA, veröffentlich[t] auf http://www.wada-ama.org […].

Der Beschluss einer solchen Verpflichtung, von der IMHO völlig klar ist, dass ihr deutlich weniger als ein Prozent aller Mitglieder nachkommen werden, muss doch eigentlich als Witz gemeint sein, oder?

Die genannte Netzseite ist übrigens nicht nur englischsprachig, sondern zusätzlich auch recht unübersichtlich. Ich jedenfalls habe einige Zeit gebraucht, bis ich die Liste aufgestöbert habe. (Und nein, man sollte nicht versuchen, unter „Other Languages“ die Sprache „Deutsch“ auszuwählen: Die Google-Ãœbersetzung verursacht Ãœbelkeit und die aufgeführten Links sind nicht auf dem neuesten Stand oder führen gar gänzlich ins Leere.) Leider bin ich mit der Lektüre der Liste noch nicht weit gekommen, weil ich doch einige Fachtermini nachschlagen muss.

KPK 20. April 2010

Aus meiner Sicht wird das Thema viel zu heiß diskutiert, aber das habe ich ja schon mehrfach gesagt. Zu einigen der angeführten Punkte kann ich aber vielleicht auch was Inhaltliches beitragen.

zu 6. Der Landesschachverband MV hat eine einzige nennenswerte externe Geldquelle: Die Förderung vom Landessportbund. Diese wiederum besteht bis auf einige Projektörderungen weitestgehend aus der Breitensportförderung. Ich habe mal auf der Web-Seite des LSB (vielleicht zu oberflächlich) recherchiert, was sich da zum Thema Doping befindet. In der Breitensportförderrichtlinie ist nichts, in der Satzung ist nichts und in den in der Satzung angeführten weiteren Ordnungen auch nicht. Es gibt lediglich ein Dokument zu Antidoping-Maßnahmen, das sich dem Thema widmet. Hiernach müssen die Landesfachverbände zumindest einen Anti-Doping-Beauftragten benennen und es wird klar benannt, dass die Zielgruppe der Leistungssport ist.

Fazit: Dass der LSV MV ohne Anti-Doping-Ordnung keine Förderung mehr erhalten wird, ergibt sich aus den Dokumenten für mich nicht. Niemand kann aber verbindlich garantieren, dass dies für alle Zukunft gilt. Wenn es keine Förderung mehr geben würde, wäre dies aber ein grundsätzlich lösbares Problem. Einnahmen rauf, Ausgaben runter. Hohe Mitgliedsbeiträge schrecken in MV bestimmt niemanden ab.

Etwas anders sieht es für den DSB aus, siehe z.B. hier.

zu 5. qualitativ ist das Argument nicht wertvoller als die in Punkt 6 kritisierte Argumentation. Auf jeden Fall ist der Haushalt nicht gesprengt, wenn einmal Kontrollen kommen sollten. Und wenn man dann noch mit Wahrscheinlichkeitsrechnung arbeitet …

zu 4. Es gibt keine einzige ernstzunehmende Studie, in der festgestellt wird, dass der Anti-Doping-Kampf zu Mitgliederrückgängen in den Sportverbänden führt ;-). Ich würde davon ausgehen, dass es für die wenigsten, die mit einem Sport beginnen wollen, relevant ist, ob es hier Anti-Doping-Regelungen gibt. Mein Sohn spielt auf jeden Fall jetzt Fußball im Verein.

zu 7. Bisher habe ich nur Gerüchte gehört, dass Hessen und Bayern die Anti-Doping-Ordnungen abgelehnt haben. Aus deren Web-Seiten kann ich nur entnehmen, das Bayern das Thema wie Berlin vertagt hat und Hessen (hört, hört) gemeinsam mit der Uni Mainz eine Studie zum Thema machen will.

Ansonsten kann ich natürlich auch nur jeden Verein aufordern, sich eine eigene Meinung zu machen, nicht mit dem Strom mitzuschwimmen und entsprechend abzustimmen. Das wäre dann ein gutes Beispiel für Verbandsdemokratie.

Klaus-Peter Köpcke
Schatzmeister des LSV MV

Nordlicht_70 21. April 2010

zu KPK Punkt 5.
Das ist doch der springende Punkt. Die beiden Argumente sind qualitativ als etwa gleichwertig anzusehen, auch wenn die Wahrscheinlichkeiten, Mittel gestrichen zu bekommen, etwas höher sein mögen, als extreme Kosten für Dopingtests.
In meinen Augen ist dieses Argument (evtl. Streichung von Fördergeldern) das EINZIG „vernünftige“ Argument. Und genau hier muss jeder Verein abwägen, ob er für etwas Geld sein Hobby zur Lachnummer macht. (Ja, genau das werden wir in den Augen der Bewegungssportler sein, wenn wir uns freudestrahlend auf Epo und Anabolika untersuchen lassen!)

Die Frage ist doch die: Wenn man – nur aus Prinzip – etwas Sinnloses tut, dann ist das Prinzip falsch und muss nicht zum „Gesetz“ (sprich Dopingordnung) erhoben werden.
Zwar glaube auch ich nicht, dass ich in der Bezirksliga mal den Pipibecher füllen muss, doch will ich nicht einfach „hoffen, das es mich nicht trifft“, sondern klar sagen: ICH WILL KEINE DOPINGORDUNG IM SCHACH.

Genau wie Stefan unter Punkt 4 auch von mir die klare Ansage: Ich werde nicht für einen Dopingtest im Schach zur Verfügung stehen. Im Zweifelsfall muss ich eben meine Ligaspiele aufgeben und kann nur noch Open spielen.

CHH 21. April 2010

A) Die einen Betonköpfe sitzen dem Vernehmen nach in der WADA, die sich seit einigen Jahren strikt weigert, die ursprünglich angedachten (und, wenn ich mich richtig erinnere, z.T. auch erstellten) Sportart-spezifischen Verbotslisten einzuführen.
B) Die anderen Betonköpfe sitzen in den Innenministerien, die darauf beharren, dass alle Sportarten an den beschlossenen Anti-Doping-Maßnahmen teilnehmen, egal wie unsinnig das im Einzelfall sein mag.
C) Die Leidtragenden, wenn man sich dem Unsinn verweigert, könnten vor allem die Vereine sein. Für den DSB und die Landesverbände geht es „nur“ um Fördergelder z.B. für Kadertraining. Für die Vereine steht der Status als anerkannter Sportverein auf dem Spiel, und damit die kommunale Förderung. In meiner Stadt ist es z.B. die kostenlose Nutzung von Sportstätten – darunter fällt, weil wir ein Sportverein sind, auch unser Spiellokal und ein Schulraum fürs Jugendtraining.

Stefan 21. April 2010

@KPK: Um Missverständnissen vorzubeugen, dort, wo es ein Dopingproblem gibt, soll ruhig gegen Doping vorgegangen werden. Ein Schachverband sollte aber mE keine Gesundheitspolizei sein.

@CHH: Rein rechtlich gibt es natürlich keinen Status als anerkannter Sportverein. Juristisch beantwortet § 52 der Abgabenordnung die Frage mE zutreffend: Schach gilt als Sport, ist es also nicht. Tatsächlich kann es schon anders sein und wenn Schach aus der kommunalen Förderung fallen würde, wäre das schlimm, hängt aber von den handelnden Personen auf dieser Ebene ab, wie ich finde.

Ich will die Frage der Konsequenzen einer Anti-Anti-Doping-Politik gar nicht kleinreden. Nur müssten zunächst die Konsequenzen auf dem Tisch liegen, bevor eine Entscheidung getroffenen wird.

CBartolomaeus 21. April 2010

Wenn ich den Kommentar unseres Schatzmeisters lese, dann frage ich mich Folgendes: Wenn die Förderung durch den Landessportbund die einzig nennenswerte externe Geldquelle des LSV ist und wenn im Präsidium befürchtet wird, dass diese Geldquelle wegfallen könnte, sofern des LSV keine Anti-Doping-Ordung beschließt: Warum fragt das Präsidium nicht einfach diesbezüglich direkt beim Landessportbund an (und veröffentlicht die Anfrage und die Antwort)? Das wäre doch ein nahe liegender Gedanke, oder?

Die Idee, sozusagen „sicherheitshalber“ oder „auf Vorrat“ eine Anti-Doping-Ordnung zu beschließen, mag zwar zum Zeitgeist passen (es werden ja auch gerne sicherheitshalber andere Dinge auf Vorrat gesammelt), kann mich einfach nicht überzeugen.

Losso 21. April 2010

Im Wesentlichen trifft die Aussage von CHH zu.

Man sollte schnellstens den agierenden Personen in NADA/WADA und Innenministerium klar machen, was für einen weltfremden Sch… sie hier den Sportverbänden aufdrücken und welch seltsame Kapriolen (Deutschem Billardmeister wird Titel aberkannt und er wird gesperrt wegen eines Mittels, das den Nachweis eines anderen Mittels erschwert, welches zwar auf der Liste steht, aber dem Billardspieler keinen Vorteil verschaffen dürfte) das Ganze mit sich bringt.

Eine andere Frage ist, ob die Landesverbände sich dem DSB entsolidarisieren sollten, denn dieser hat ja schon lt. dem Spiegelbericht finanzielle Einbußen erlitten. Wir können ja gerne mal den Schatzmeister des DSB fragen, was das ausmacht.
Man zwingt hier die Verbände in eine Prostitution, die diese nun ihren Mitgliedern verkaufen muss. Die Leistung der Sportpolitik ist in diesem Falle mehr als beschämend.

Losso 21. April 2010

P.S. Noch zwei Artikel hierzu von CB und die österreichische Stilblüte.

Losso 21. April 2010

P.P.S.
Die erste Zahl, die ich diesbezüglich gelesen habe, ist diese hier:

„Der Deutsche Schach-Bund muss 16 Prozent seiner Förderung (2800 Euro) zurückerstatten, einen so hohen Anteil wie kein anderer, weil er den Anti-Doping-Kodex nicht in seiner Satzung verankert hatte.“

Ich kann nicht genau beurteilen, ob das ein Warnschuss ist und damit die gesamten 17500 Euro Sportfürderung auf dem Spiel stehen. Ob man diesen Aufwand und den Rattenschwanz, den das nach sich ziehen kann, für 2800 Euro in Kauf nehmen sollte, beurteile jeder selbst.

Niklas Rickmann 21. April 2010

Liebe Schachfreunde,

Die Einschätzung, dass es im Schach kein Dopingproblem gibt ist richtig. Wir haben keine Dopingsysteme wie im Radsport oder in der Leichtathletik. Sicherlich versuchen einige Schachfreund mit Hilfe von kleinen Mitteln, die Konzentrationsphasen zu verlängern. Die meisten Schachfunktionäre halten die Dopingbestimmungen für Schach auch überzogen.
Das große Problem jedoch besteht darin, dass der Deutsche Schachbund seit 1950 Mitglied im Deutschen Sportbund (jetzt DOSB) ist und alle seine Regeln und Verpflichtungen anerkennt. Das gleiche gilt auch für den Landesschachverband M-V, der Mitglied im Landessportbund M-V ist. Das Bundesinnenministerium und der DOSB haben zum 01.01.2009 gemeinsam beschlossen, dass alle Sportfachverbände sich dem Anti-Dopingkampf verpflichten müssen. Tut ein Fachverband dieses nicht, wird diesem die zustehende Sportförderung des Bundesinnenministeriums entzogen bzw. gestrichen. Diese Sanktionsmöglichkeit ist 2008 im Deutschen Bundestag beschlossen worden. Der DSB hatte nun die Wahl: Entweder sich dem NADA und WADA Code zu unterwerfen und gleichzeitig einen Vertrag mit den Anti-Doping Behörden zu schließen, oder gänzlich ab 2010 von der Sportförderung des Bundesinnenministeriums ausgeschlossen zu werden. Dabei sei bemerkt, dass die Sportförderung an den DSB ca. 1/6 des Gesamthaushaltes ausmacht. Der DOSB hat seine Landesverbände aufgefordert, die Umsetzung der Dopingbestimmungen auch in seinen Fachverbänden durchzusetzen. Wir als Verband haben im Jahr 2009 die freundliche Aufforderung des Landessportbundes M-V bekommen, die geschlossenen Vereinbarungen zwischen DSB und NADA anzuerkennen und uns gleichzeitig diesen Bestimmungen in Form von Satzungsänderungen zu unterwerfen (Fristsetzung: 31.12.2010). Wir haben natürlich als Verband die Möglichkeit, uns gegen diese Verträge zu stellen. Sollten aber bedenken, dass bei uns die Fördersummen zwar vom LSB M-V genehmigt und zugeteilt werden, jedoch der Aussteller der Gelder das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist. Und auch hier ist eindeutig festgelegt, wenn ein Verband sich den Bestimmungen nicht unterwirft, sind die Fördermittel zu streichen. Unser Etat wird mit einer Grundförderung von ca. 2.100,00 € jährlich bezuschusst. Außerdem erhalten wir für Projekte wie z.B. Schulschachcup, Kaderlehrgänge und C-Trainer Lehrgänge erhebliche finanzielle Zuwendungen. Der Verband kann diese Ausfälle nur mit Erhöhungen von Startgeldern und Mitgliedsbeiträgen kompensieren.
Ich persönlich bin auch kein Fan von Dopingdiskussionen im Schach, jedoch begreifen wir uns als Sport und sind Mitglied im Landessportbund bzw. die Vereine in den Kreissportbünden. Wer gegen die Ãœbernahme von Dopingbestimmungen ist, sollte jedoch dann auch so fair sein und die Mitgliedschaft im Sportbund hinterfragen bzw. neue Finanzierungsquellen vorlegen. Wir haben leider keine andere Wahl, als uns diesen Bestimmungen anzuschließen. Dieses Denken wird sich auch in den Verbänden Berlin, Hessen und Bayern durchsetzen, wenn die Fristen der jeweiligen Sportbünde verstrichen sind und erste Sanktionen ausgesprochen werden.

Der Anti-Doping Kampf ist für alle Sportbereiche zuständig und bindend. Er ist nicht nur Angelegenheit des Profisportes, sondern auch im Wettkampfsport. Somit muss die Anti-Doping Ordnung auch alle gemeldeten Schachspieler des Landesschachverbandes Mecklenburg-Vorpommern e.V. einbinden.
Zwar wird das Schach innerhalb der NADA gleich behandelt wie alle anderen Sportarten, jedoch haben wir im Bereich Dopingkontrollen Sondervereinbarungen treffen können. Diese besagen, dass Dopingkontrollen nur auf Deutscher Leistungsebene stattfinden. Genau gesagt, auf Deutschen Meisterschaften, Deutschen Jugendmeisterschaften U18, dem Leistungskader, der Nationalmannschaft und der 1. Bundesliga ab 2011.Trainingskontrollen und Kontrollen in den einzelnen Landesverbänden sind nach dem geschlossenen und gültigen Vertrag nicht durchzuführen!
Mit der Anti-Doping Ordnung geben wir einige Kompetenzen und Entscheidungsgewalten an den DSB ab. Diese Tatsache hat einen finanziellen Hintergrund. Dopingkontrollen bei Deutschen Meisterschaften müssen bezahlt werden. Ursprünglich hätte man die Kosten auf die einzelnen Verbände umgelegt. Jedoch haben sich der DSB und die Landesverbände geeinigt, dass alle Dopingkontrollen und ihre finanziellen Auswirkungen durch den DSB getragen werden. Auch Dopingverfahren und der Vollzug kosten Geld, was nur der DSB leisten kann.

Als kurze Zusammenfassung kann ich nochmals unterstreichen, dass wir diese Ordnung und die Satzungsänderungen benötigen. Wenn wir uns als Sportart begreifen und die Vorteile genießen, müssen wir auch die Pflichten mittragen. Der Anti-Doping Kampf ist nun einmal eine Pflicht aller Sportarten – auch für das Schach.

Niklas Rickmann
Präsident des LSV M-V

CBartolomaeus 21. April 2010

Ahh, da sind ein paar belastbare Aussagen, auf deren Grundlage man schon informierter über mögliche finanziellen Risiken diskutieren kann. Vielen Dank dafür!

Losso 21. April 2010

Nach dem hier gelesenen kann man die Sportförderung im Schach durch die öffentliche Hand deutschlandweit auf einen niedrigen sechsstelligen Betrag taxieren. Sicherlich ein guter Grund, sich dieser Prostitution zu unterwerfen.

Andererseits ist es eine typisch deutsche Angewohnheit, offensichtlich sinnlose Dinge zu tun, nur weil es in irgendwelchen Vorschriften oder Regularien so steht. Die Frage ist: Wer bietet Schäubles (unter ihm kam es zur Sanktionierung von Verbänden) Dopingzuhältern die Stirn?

MiBu 21. April 2010

Losso, übertreib‘ mal nicht. „Prostitution“ und „Zuhälterei“ sind keine angemessene Wortwahl. Mir fallen da eher Begrifflichkeiten wie „Kadavergehorsam“, „Sesselpuper“ und „Funktionärsunwesen“ ein.
Klar ist aber für mich: Die Einlassung des Präsidenten ist eine bedingungslose Unterwerfung unter angeblich existierende Sachzwänge, die in extremo betrachtet möglicherweise sogar verbandsschädigend ist. (Ich gehe bei dieser provokativ zugespitzten These davon aus, dass der satzungsgemäße Zweck des LV M-V die Förderung des Schachsports ist und stelle in den Raum, dass die Ãœbernahme der absurden Anti-Doping-Bestimmungen diesem Satzungszweck zuwiderläuft.)

Ich erkläre aber hiermit zweierlei:
1. Ich war (vielleicht) ein Dopingsünder! (Ich habe mal für drei bis vier Wochen ein Medikament genommen, dass als Beigabe eine Diuretikum enthielt. Das steht als Maskierungsmittel auf der Dopingliste. Strenggenommen habe ich allerdings dennoch kein Doping begangen, weil das im Herbst 2008 war und die Bestimmungen des DSB erst ab 01.01.09 galten wenn ich richtig informiert bin. ) Natürlich hatte das Zeug keine leistungsfördernde Wirkung – eher im Gegenteil – aber das hat ja auch nie jemand behauptet.
2. Ich werde niemals in ein Röhrchen pinkeln, weil irgendein Dopingkontrolleur das von mir fordert und auch keine Erklärungen unterschreiben, in denen ich dieser Prozedur zustimme! (Sollte ich deswegen an bestimmten Wettbewerben des DSB trotz sportlicher Qualifikation nicht teilnehmen können [Was bezgl. 1.BL und Deutscher EM nicht zu erwarten ist, aber bei Blitz oder Schnellschach zumindest denkbar, wobei hier wohl – warum eigentlich – keine Kontrollen stattfinden sollen.], werde ich prüfen müssen, ob das mittels ordentlicher Gerichtsbarkeit angreifbar ist.

Michael Buscher

PS: Vorsicht noch, Ihr Kaffee- und Cola-Junkies – Koffein steht glaube ich auf der Beobachtungsliste der WADA.

Stefan 21. April 2010

Lieber Niklas,

erstmal Dank und Respekt, dass du an dieser Diskussion teilnimmst. Öffentlichkeit kann mE nur gut sein. Nur einige Anmerkungen:

1. Um die Förderung des DSB geht es mir nicht. Dort mag es Leistungssport geben, in M-V gibt es nur Amateure.

2. Mir ist klar, dass ich eine Minderheitsposition vertrete, aber ich halte die Einordnung des Schachs in den Sport für falsch. Genausogut könnte man Mühle oder Vier gewinnt als Sport bezeichnen. Auch das sind Spiele mit vollständiger Information. Schach und Spiele überhaupt sind Ausdruck menschlicher Kultur. Vielleicht sind sie auch charakterfördernd. Die Förderung von Kinderschach sollte in den Bildungsbereich eingegliedert werden, die Förderung des Spitzenschachs ist mE Privatsache. Diese Beitragsgelder könnte man einsparen.

3. Die Sondervereinbarungen mit der NADA würde ich gern mal sehen, insbesondere, was die zeitliche Geltung betrifft. Und was hat eine Vereinbarung des DSB mit der NADA über DSB-Wettkämpfe mit dem LSV zu tun? Wer hat dem DSB Vollmacht gegeben, darüber zu verhandeln und Verträge zu schließen. Im Ãœbrigen darf die NADA von sich aus kontrollieren (bitte belehrt mich, wenn das falsch ist). Warum brauchen wir eine Dopingordnung, wenn sich alle darüber einig sind, dass kein einziger Wettkampf unter der Regie des LSV kontrolliert werden soll?

4. Der Entwurf der Ordnung und des Kadervertrags strotzen nur so von blumigen Formulierungen über die Sinnhaftigkeit des Anti-Doping-Kampfes. Wird das auch vorgeschrieben, oder würde es dann nicht reichen, sich auf den rechtlichen Akt der Unterwerfung zu beschränken?

5. Warum die Entmachtung der Mitgliederversammlung bei Änderungen der Dopingordnung? Wenn es wirklich mal eilig sein sollte, könnte man doch eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen!

6. Zahlt der LSV auch Mitgliedsbeiträge an den Landessportbund? Wenn ja, in welcher Höhe?

Letztlich wehre ich mich dagegen, jeden Unsinn gegen Geld mitzumachen. Was wäre, wenn die Sportverbände als nächstes vorschreiben, bei Mannschafts-Wettkämpfen mit einheitlichen Trikots anzutreten? — was im Fußball ja durchaus sinnvoll ist. Machen wir das auch?

Und es ist nicht nur Unsinn, sondern es greift massiv in die Rechtssphäre aller Mitglieder ein. Um es zu wiederholen, wer zukünftig seine Asthmamittel, das Ritalin seiner ADHS-kranken Kinder etc. (über die Pflichten der Trainer haben wir noch gar nicht gesprochen!) nicht genehmigen lässt, kann vom Spielbetrieb ausgeschlossen werden und muss eventuell zwischen 100 und 5.000 EUR Strafe zahlen. Ist eben Sport.

Warum stellen sich die Schachverbände nicht auf die Hinterbeine und verlangen eine eigene Doping-Liste für das Schach? Weil diese Liste leer wäre?

Losso 21. April 2010

“Kadavergehorsam”

Der ist gut, MiBu.

Ansonsten empfinde ich das Unterwerfungsverhältnis ähnlich der von mir gewählten Worte. Die Kernfrage ist mE:
Ist man bereit, um des schnöden Mammons willen offensichtlich sinnlose Regeln zu akzeptieren.

Niklas Rickmann 21. April 2010

Liebe Schachfreunde,

wir alle wissen, dass Schach mehr ist, als nur ein Sport. Schach ist ein Kulturgut. Ich denke, dass diese Einschätzung mittlerweile im Deutschen Schach schon Grundkonsens ist. Alle Verträge zwischen NADA und Sportfachverbänden laufen immer 10 Jahre. Folgende wichtigen Regelungen sind im Vertrag getroffen worden:

1. Zielgruppe:
alle organisierten Schachspieler in Deutschland, d.h. DSB und die Mitgliedsverbände (also auch der LSV M-V)

2. Kontrollen:
Nur bei folgenden Meisterschaften wie DEM Männer, DEM Frauen, DEM U18 werden Kontrollen angesetzt. Andere Meisterschaften sind ausgenommen. Die NADA darf jedoch keine Kontrollen außerhalb der vertraglichen Vereinbarungen durchführen wie z.B. bei unserer LEM usw.

3. Trainingskontrollen:
nur bei einem begründeten Verdacht bei Personen möglich, die im A und B Kader sind. Andere Trainingskontrollen sind möglich.

4. Durchsetzung:
Der DSB ist vertraglich verpflichtet zusammen mit den Landessportbünden, die Durchsetzung der Dopingbestimmungen und die Ãœbernahme der Dopingbestimmungen bis 31.12.2010 zu gewährleisten bzw. abzusichern

5. Sondervereinbarungen:
Kaderspieler und Teilnehmer an DEM (inkl. DEM U18) sowie Teilnehmer an EM, WM und weiteren internationalen Meisterschaften müssen mit dem DSB eine Sondervereinbarung gegen Doping schließen.
6. Unterverbände:
Die Unterverbände des DSB können den Dopingkampf selbst organisieren oder aber die Kompetenz an den DSB abgeben.

Bis jetzt haben sich alle Verbände gegen eigene Dopingbekämpfungen ausgesprochen und delegieren dieses an den DSB. Der Kosten aber auch der zeitliche Faktor spielt eine Rolle für diese Entscheidung. Da wir als Verband den Dopingkampf nicht selbst machen wollen, bleibt also nur die andere Variante übrig. In jedem Fall müssen wir unsere Satzung anpassen und eine eigene Anti-Doping Ordnung besitzen. Es reicht aufgrund der Vertragsbestimmungen zwischen NADA und DSB nicht aus, sich nur dem Rechtsakt zu unterwerfen.

Im Falle der Anti-Doping Ordnung wird in der Tat die Mitgliederversammlung entmachtet. Ich kann jedoch mit dem Kompromiss leben, dass die Änderungen der Ordnung durch eine Mitgliederversammlung genehmigt werden müssen.
Zur Information: der Landesschachverband zahlt keine Beiträge an den DSB. Die Vereine des LSV M-V entrichten ihre Beiträge an den Landessportbund.

Niklas Rickmann 21. April 2010

Bitte verzeiht mir, dass ich Begriffe wie „Kadavergehorsam“, „Sesselpuper“ oder „Prostitution“ nicht kommentieren möchte.

Losso 21. April 2010

„Bitte verzeiht mir, dass ich Begriffe wie “Kadavergehorsam”, “Sesselpuper” oder “Prostitution” nicht kommentieren möchte.“

Schon geschehen ;o)

Ich kann Deine Position durchaus nachvollziehen, Niklas. Die Verfehlungen liegen an anderer Stelle und auch der DSB hat im Wesentlichen seine Hausaufgaben gemacht, indem er immerhin Sondervereinbarungen durchgesetzt hat. Wenn diese zehn Jahre gültig sind und danach einseitig von der NADA aufgekündigt werden sollten, kann sich der DSB immer noch überlegen, ob er das noch mitmachen möchte.

Aber:
Der Prozess, unter Androhung von Entziehung von Geldmitteln, für den Schachsport ungeeignete Regeln zu installieren, ist und bleibt beschämend.
Daher sollte es weiterhin Bemühungen geben, sinnvolle Regelungen zu schaffen. Und wenn man dann herausfindet, dass die Liste der leistungsfördernden Substanzen im Schach leer ist, sollte das auch eine NADA akzeptieren.

Stefan 21. April 2010

Die Beiträge an den Landessportbund belaufen sich auf jährlich 5 EUR pro Mitglied (Jugendliche 2 EUR und Kinder 1 EUR). das wäre dann die Summe, die die Schachvereine sparen würden, wenn Schach aus der Sportförderung fällt. Mir fehlen leider die Zahlen, um das gegenzurechnen.

Und noch ein kleines Rätsel. Woher stammt folgendes Zitat?

Dopingbekämpfung ohne Dopingkontrollen ist halbherzig und inkonsequent. Glaubwürdige Dopingbekämpfung setzt vernünftige Kontrollmechanismen voraus.

Niklas Rickmann 21. April 2010

Bitte beachte, dass wir bei einem Austritt aus dem Sportbund nicht nur die Verbandszuwendungen verlieren, sondern auch Zuwendungen der Städte an die C-Trainer und B-Trainer. Diese sind nämlich an die Mitgliedschaft im Sportbund gekoppelt. Außerdem müsste eine neue Versicherung für sämtliche Wettkämpfe abgeschlossen werden. Derzeit sind alle gemeldeten Schachspieler über die Sportversicherung des LSB versichert.

Woher das Zitat kommt, weiß ich leider nicht.

Martin Graffenberger 21. April 2010

Ich werde an einer angeordneten Dopingkontrolle nicht teilnehmen. Falls das meinem Verein Probleme bereitet, bitte ich darum, nicht mehr für den Ligabetrieb aufgestellt zu werden.

Im übrigen hoffe ich, dass am 2. Mai 2010 im Sinne von Schachfreund Kalhorn entschieden werden wird.

Losso 21. April 2010

Fundstück von der Deutschen Schachjugend(!).

Hier kann man endlich lesen, was beim Schach helfen soll:

„[…]Denn beim Schach spielt die Konzentration eine ganz wichtige Rolle. Ãœber drei, vier oder fünf Stunden immer voll konzentriert zu sein, keine Schwächephase zu haben, wer das schafft, der ist im Vorteil. Und daher könnte man auf die Idee kommen, Cannabis und Amphetamine auszuprobieren, denn sie können für den Schachsport eine leistungssteigernde Wirkung erzielen.[…]“

P.S.: „Außerdem müsste eine neue Versicherung für sämtliche Wettkämpfe abgeschlossen werden.“
Wozu überhaupt? Versichern Go- oder Pokerspieler ihre Wettkämpfe auch?

MiBu 21. April 2010

@losso: Das will ich doch hoffen. (Ob das Preisgeld beim Pokerturnier im Adlon gegen Beraubung versichert war weiß ich nicht, aber das ist ja wohl nicht gemeint…)
Wenn Verein A gegen Verein B spielt (Schach, Fußball, Go, was auch immer) und ein Spieler von B kommt im Vereinsheim von A zu Schaden, wäre es schon äußerst wünschenswert, wenn Verein A dafür eine Haftpflichtdeckung hätte – jedenfalls würde ich als Mitglied von A darauf bestehen. Das ist aktuell im Bereich Schach sicher der Fall, weil die entsprechenden Abgaben geleistet werden (hieß mal Sportgroschen, aber der Ausdruck ist in mehrfacher Hinsicht veraltet). Andererseits ist es auch jedem Verein möglich, sich eine Vereinshaftpflicht zu besorgen, um das abzudecken, wenn es die Sportversicherung nicht mehr geben sollte. Wenn ein Verein seine Bretter und Uhren oder gar ein Vereinsheim versichern will, muss er das auch selber tun.
@Herr Rickmann: Das ist genau die Art Argumentation, die ich nicht ausstehen kann. „Dann müsste man, geht aber nicht, war schon immer anders, haben wir noch nie anders gemacht, wo kommen wir denn dahin“ etc. etc. Dagegen läuft man ständig, wenn man in Vereinsstrukturen etwas ändern will mit dem Ergebnis, dass Leute mit Willen zur Veränderung vor die Pumpe laufen und nur die Lordsiegelbewahrer (Ich hoffe, das gefällt Ihnen besser als das von mir provokativ gewählte „Sesselpuper“) bereit sind, sich in diese Posten wählen zu lassen, um den status quo zu bewahren.
@Stefan: Das Rätselzitat kommt mir bekannt vor – Quelle DSB-website, der Bundesrechtsberater?

Etez 21. April 2010

Zitat der Deutschen Schachsenioren

“[…] Denn beim Schach spielt das Brett eine ganz wichtige Rolle. Ãœber drei, vier oder fünf Stunden immer sitzenzubleiben, dabei keine Blasenschwächephase zu haben, wer das schafft, der ist im Vorteil. Und daher könnte man auf die Idee kommen, Medikamente auszuprobieren, denn sie können für den Schachsport eine leistungssteigernde Wirkung erzielen.[…]“

Es scheint so, also würde dieser Textbaustein überall benutzt.

Pulitzer 21. April 2010

Gerade gefunden bei Spiegel-Online über den Deutschen Dart-Verband:

Der größte wirtschaftliche Hemmschuh ist aber ein anderer: Darts ist hierzulande „bislang nicht in den Deutschen Olympischen Sportbund aufgenommen worden, der wichtige Fördergelder bereitstellen würde“, so Mischke. Allerdings könne voraussichtlich bereits in wenigen Monaten Vollzug gemeldet werden, da nur noch die Gründung eines weiteren Landesverbandes als Aufnahmekriterium fehle.

Ich würde die Rolle der Anerkennung als Sport nicht unterschätzen, wie das oben genannte Beispiel zeigt. Zur Klarstellung: ich halte das Vorgehen in Sachen Doping trotzdem für Unsinn.

Jens 21. April 2010

Bei Studenten funktionierts und bei Schachspielern nicht?

Stefan 21. April 2010

Doch, doch: Gerade in der Bezirksliga besorgen sich die Schachfreunde haufenweise für horrende Summen illegal Medikamente, um ihre Kenntnisse im Turmendspiel zu verbessern.

Ich habe auch schon selbst gegen Leute gespielt, die mit Kaffee, Cola oder Traubenzucker gegen die Müdigkeit angekämpft haben. Manche essen sogar heimlich Schokolade.

PS: Wenn jemand nun Ritalin verschrieben bekommen hat, hat derjenige nicht trotzdem (ungewollt) einen Wettbewerbsvorteil beim Schach? Müsste der nicht in einer eigenen Liga für gedopte Schachfreunde spielen? So eine Art umgekehrte Paralympics?

ein anderer HL 21. April 2010

Wenn sich dieser Unsinn durchsetzt, habe ich die längste Zeit Schach gespielt.

Jens 21. April 2010

Es geht nicht um die Bezirksliga, sondern um die Leute, für die Schach ihr Leben ist und die ihr Selbstwertgefühl durch den Erfolg im Schach definieren.. Die greifen zu sämtlichen möglichen Hilfsmitteln, egal ob Compter oder Pillen. Die Wirksamkeit der Pillen ist ja nachgewiesen.

Vielleicht sollte man das mal unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Außerdem ist es für die Leute, die die Pillen verschrieben bekommen, nicht unbedingt von Vorteil.

Niklas Rickmann 21. April 2010

Mir ist bei einigen Beiträgen aufgefallen, dass sich viele über die Damen und Herren in der Politik, BMI und NADA ärgern. Die Anti-Doping Bestimmungen bzw. die Sanktionen gegen Verbände, die sich dem nicht anschließen, kommen ursprünglich aus dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages. Hat jemand von den Gegnern des Anti-Doping Kampfes im Schach mal sich an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gewendet? Nein?! Warum nicht? Reden ist das eine, handeln das andere.

@MiBu
Und noch eine Sache: Wer den Verband von heute mit dem Verband von 2007 vergleicht wird sehen, dass es kaum Dinge gab, wo der Status quo gewahrt wurde. Ich habe immer alle Schachfreunde aufgefordert, ihre Ideen in den Verband zu tragen. Leider kam immer wenig Echo zurück. Schachfreund MiBu ist gerne eingeladen, Verantwortung im Verband zu übernehmen. Es ist einfach, immer von „man“ zu sprechen!

Sorry, aber das musste einfach mal raus.

MiBu 21. April 2010

„Die Wirksamkeit der Pillen ist ja nachgewiesen.“ Wo? Wann? Wie? Von wem? In welcher Studie? Wer hat die beauftragt? Welche Wirkung haben die Pillen? Welcher Wirkstoff ist enthalten? Handelt es sich um eine Doppelblindstudie unter Laborbedingungen, bei denen eine Steigerung der Leistungsfähigkeit (ELO) nachgewiesen wurden? Wo kann man das nachlesen? [Usw. usw.]
Soweit mir bekannt ist, will Dr. Balló bzw. die Uni Mainz erst eine solche Studie durchführen, die aber noch in der Genehmigungsphase ist. [Dr. Balló ist Mediziner und Präsident des Hessischen Schachverbandes.]

Stefan 21. April 2010

Lieber Jens! Nein, die Wirksamkeit der Pillen ist hinsichtlich einer Leistungsverbesserung beim Schach nicht nachgewiesen. Und es ist einfach unseriös zu behaupten, dass es Schachspieler gibt, die zu solchen Mitteln greifen. Schon mal einen getroffen? Und selbst wenn: Warum muss ich mich einem Dopingregime unterwerfen, nur weil jemand meint, seine Gesundheit wegen Schach schädigen zu müssen? So unnütz und gefährlich solche Stoffe auch sind, der Landesschachverband ist nicht der Vormund seiner Mitglieder!

Lieber Niklas! Erstens ist es die vornehmliche Aufgabe der gewählten Vertreter des Landesschachverbandes, sich um vernünftige Regelungen im Schach zu bemühen. An welche Stellen hast du dich denn gewendet, um eine unsinnige Dopingordnung zu verhindern? Zweitens wurden unter anderem auf diesem Blog eine Menge Ideen zum Schach in Mecklenburg-Vorpommern diskutiert (neben Doping z.B. Karenzzeit, bedenkzeit und Brettfreilassen, um mal ein paar wichtige Themen zu nennen). Drittens weiß ich von einigen Kommentatoren persönlich, dass sie ehrenamtlich für das Schach arbeiten. Ich verwahre mich dagegen, hier pauschal „Nichtstun und Meckern“ zu unterstellen, weil sich jemand gegen eine Ordnung wehrt, die du selbst in der Sache für überflüssig hältst.

MiBu 21. April 2010

@NR: Im LV M-V werde ich sicher keine verantwortliche Position übernehmen, da ich dem LV NRW angehöre. Die Bemerkung war zudem nicht speziell auf die mir nicht näher bekannte Struktur in M-V gemünzt, sondern eher genereller Natur. Was Verantwortung angeht: Ich war in diversen Vereinen Turnierleiter und/oder Mannschaftsführer (das erste Mal mit 12 Jahren), bin heute Vorsitzender im Verwaltungsbeirat der WEG, Spielleiter und Kassenwart im Skatclub sowie Kassenwart des Fördervereins der KiTa, Familienvater und vollzeit berufstätig. Ich lasse mich nicht in die Ecke der (in der Tat wenig sympathischen) Figuren stellen, die immer über alles meckern, aber selber nichts besser machen wollen!
Ws die Ausführungen zum Petitionsausschuss sollen, entzieht sich meiner Kenntnis. Es wäre Aufgabe der Verbandsfunktionäre auf DSB-Ebene gewesen, hier eine Ausnahmeregelung zu erwirken, anstatt „Jawohl Herr Direktor!“ zu sagen (auch wenn der Direktor hier korrekt Minister heißt.

Niklas Rickmann 21. April 2010

ich habe einige Sachen zum Thema Doping versucht anzustoßen, die man in Protokollen des DSB eindeutig sehen kann. Vielleicht wäre noch mehr möglich gewesen, aber ich bin kein hauptamtlicher Präsident. Wer hier Behauptungen aufstellt, der Verband und ich haben nichts unternommen, liegt falsch und hat sich vorher nicht mit Fakten auseinandergesetzt. Ich respektiere die Gegenmeinungen und die Diskussion, daher auch meine Beiträge hier und auf der LSV Seite. Ich finde, das Austauschen der Argumente ebenfalls für gelungen und notwending.
Ich möchte keinem etwas unterstellen bzw. verärgern, das ist nicht meine Absicht! Aber die Frage mit dem Petitionsausschuss ist schon berechtigt und müsst Ihr Euch auch gefallen lassen.

Werner Berger 21. April 2010

@MiBu:
Soweit mir bekannt ist, ist Dr. Balló gar kein Doktor, sondern schlicht Harald E. Balló.
Er selbst tritt auch nirgendwo als „Dr. Balló“ auf.
Merke:
Nicht jeder Arzt hat promoviert.
Siehe Siegbert Tarrasch.

MiBu 22. April 2010

I stand corrected! Sein Kollege aus der Gemeinschaftspraxis in Offenbach hat promoviert, er (H.E.B.) selber nicht. Also entziehe ich ihm den versehentlich versehenen Dr.-Titel wieder. (Auch meine Hausärztin ist titellos, der Umstand war mir also grundsätzlich geläufig.)

Werner Berger 22. April 2010

Und wofür steht das „E.“?

Stefan 22. April 2010

@Niklas: Ich sehe gerade deinen Neujahrsgruß 2009, das liest sich nicht gerade wie eine Sträuben gegen die Anti-Doping-Politik des DSB…

Jens 22. April 2010

Die Wirksamkeit der Pillen beim Schach ist noch nicht nachgewiesen. Aber bei Studenten. „Und es ist einfach unseriös zu behaupten, dass es Schachspieler gibt, die zu solchen Mitteln greifen.“ Nein sie würden auch so etwas nie tun, auch keine Computer einsetzen.
Wir diskutieren über die Anti-Doping Ordnung, aber wenn wir z.B. einen Trainerschein machen sind Weitsprung, Laufen usw. auch mit drin. Warum sagt dann keiner, nein, das mach ich nicht, denn als Schachspieler(Sportler) sitze ich wärend der gesamten Partie.
Warum muss das Handy ausgeschaltet werden? Keiner würde auf die Idee kommen, es zu benutzen.
Ironie nicht extra gekennzeichnet.
Das bei der Anti-Doping-Politik des DSB nicht alles richtig gemacht wird, ist doch klar.
Dass leistungsfödernde Mittel eines Fußballers nicht unbedingt bei einem Schachspieler helfen, ist auch mir bekannt.

Nordlicht_70 22. April 2010

@all
Leute, „streiten“ (besser diskutieren/argumentieren) ist gut und wichtig, aber werdet bitte nicht persönlich.
Ich selbst finde es gut, das NR sich der Diskussion stellt, ich wünschte mir, dass dies alle Funktionäre in allen wichtigen Fragen tun würden. (Ich denke da an Themen wie Bedenkzeiten mit Inkrement oder Karenzzeit.) NR hat eine andere Position als ich. Dies sei ihm gegönnt. Wir sollten hier einfach unsere Argumente austauschen – und das Hauptargument von NR ist eben das liebe Geld.

@Jens
„Die Wirksamkeit der Pillen ist ja nachgewiesen.“
Aha, und wo genau? Dein Link sagt nichts weiter, als „Maria ist clever und Christoph ist immer gut drauf – dank der Pillen.“ Ich hoffe für dich, falls du mal Medikamente nehmen musst, dass diese die Zulassung nicht wegen solcher Statements bekommen haben. ;-)
Im Ernst, in einer Fernsehsendung über dieses Thema wurde glaube ich darüber berichtet, dass es – trotz des Hypes an Unis – kaum wissenschaftliche Untersuchungen darüber gibt. Interessanterweise hatte diese Sendung eine wissenschaftliche Studie recherchiert und gerade die sagte aus, dass es eben keinen signifikanten Vorteil gibt. (Ich weiß nicht mehr, ob es um Modafinil oder Ritalin ging.)

@NR (Beitrag vom 21. April 2010 – 13:27)
Kannst du hier den Link zu diesem Vertrag auf unserer ofiziellen Schachbundseite posten? Ich habe das nicht gefunden, würde ihn aber gerne lesen. Wenn nicht, warum nicht? Ich denke, dass dieses Thema wohl alle Schachspieler angeht.

Noch ein weiteres Argument. Die Schachbundesliga will Dopingkontrollen (zumindest vorerst) nicht einführen. Sollten wir die Dopingordnung beschließen, haben wir ab nächste Saison den paradoxen (oder besser perversen?) Zustand, dass Amateure sehr wohl kontrolliert werden (können), die Profis aber nicht.

Stefan 22. April 2010

Lieber Jens, wir stimmen überein, wenn es ein ernsthaftes Problem gibt, muss man reagieren. Ich sehe aber nicht, dass es ein Dopingproblem im Schach gibt. Es gibt keine Untersuchungen über solche Effekte und es gibt keine empirische Evidenz.

Dein Vergleich mit einer Schachengine hinkt gewaltig:
1. Computerhilfe verbessert unsere Spielstärke.
2. Es gab Betrugsversuche mit Computerprogrammen.

Der DSB will eine Dopingordnung doch nicht, weil er Doping bekämpfen will (dann müsste er auch Kontrollen wollen). Er will eine Dopingordnung wegen der Sportförderung und wegen der fixen Idee, Schach olympisch zu machen.

Dann soll man doch sagen, dass es nur ums Geld geht. Und ich meine, dass man auch für Geld nicht alles machen sollte.

Jens 22. April 2010

@Stefan
Da gebe ich dir Recht

MiBu 22. April 2010

@Nordlicht_70: Die Schlussfolgerung ist richtig. Die Herren beim DSB haben offenbar sehr richtig erkannt, dass es für die Schach-BL wohl nicht förderlich wäre, wenn nach der Partie sich jemand als Dopingkotrolleur ausweist und Anand höflich, aber bestimmt zum nächstgelegenen Urinal bittet. Ich wiederum folgere daraus, dass die Anti-Doping-Ordnung des DSB rein formal angelegt ist („Wir müssen das machen, um in DOSB bleiben zu können.“ etc.) und nur zum Herzeigen taugen soll.
Ich schlage daher vor, dass der DSB (und alle LV) in der Satzung Doping gemäß der gerade aktuellen WADA-Liste verbietet und die Ausführungsbestimmung dazu verfasst wird mit dem Tenor „Kontrollen finden nicht statt.“ Schließlich ist Pocket Fritz auch verboten, aber ich werde dennoch nicht nach Elektro-Doping-Mitteln gescant.

RP 22. April 2010

@Nordlicht_70:

Du schreibst in Deinem Kommentar: „Noch ein weiteres Argument. Die Schachbundesliga will Dopingkontrollen (zumindest vorerst) nicht einführen.“

Das ist sachlich falsch.

§ 8 d) der Satzung des Schachbundesliga e.V. regelt: „Die Mitglieder sind verpflichtet, das Dopingverbot zu beachten und entsprechend den vom DSB erlassenen Bestimmungen durchzusetzen.“

Ob in der Schachbundesliga Doping-Kontrollen durchgeführt werden hängt letztlich davon ab, ob die NADA welche durchführt. Beschlüsse der Schachbundesliga kann es dazu nicht geben – der DSB erlässt insoweit alle Regeln, die unmittelbar gelten – und gibt es auch nicht. Der Schachbundesliga e.V. wird lediglich regelmäßig vom DSB über die jeweilige Beschlusslage und die Entwicklungen bei der NADA informiert.

Aktuell ist so, dass die NADA derzeit keine Kontrollen in der Schachbundesliga durchführt. Eine Änderung ist insoweit nach meinem derzeitigen Kenntnisstand auch nicht geplant.

Paul Onasch 22. April 2010

Liebe Schachfreunde,

inzwischen ist die Diskussion über das Thema Doping nach zweijähriger Auszeit erneut ziemlich hochgekocht. Ich begrüße es absolut, dass eine Kommunikation über das Thema stattfindet, doch komme ich nicht umhin es zu bedauern, dass diese aktuell weniger miteinander, sondern vielmehr übereinander stattfindet und in Beleidigungen wie „Sesselpuper“ oder „Prostitution“ gipfelt.
Als Landesschachverband haben wir vor zwei Jahren den Versuch unternommen, zu diesem Thema Aufklärungsarbeit zu betreiben: So hielt ich vor zwei Jahren einen Vortrag auf der Mitgliederversammlung, verfasste ein Positionspapier des Landesschachverbandes und habe häufige Fragen aufgeworfen, versucht diese adäquat zu beantworten (diese und weitere Dokumente sind hier einsehbar) und gleichzeitig darum gebeten, weitere Fragen an mich zu wenden, damit diese Liste kontinuierlich weitergeführt werden kann. Die Bilanz nach zwei Jahren lautet: nicht eine einzige Anfrage, nicht zum Vertrag zwischen dem DSB und der NADA, zu den Kriterien des Landessportbundes zum Thema Doping, noch zu den Kosten einer Dopingprobe o.ä. – ausgenommen davon sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Deutschen Einzelmeisterschaft der Jugend, die in den Altersklassen u18w und u18 konkret einer möglichen Dopingkontrolle gegenüberstanden. Gern gehe ich daher auf die nun aufgeworfenen Fragestellungen ein, muss aber dazu anmerken, dass ich von Beruf her weder Mediziner, Psychologe noch Jurist bin.
Die Frage nach wissenschaftlichen Studien kann ich leider nur unzureichend beantworten und keinen Stapel präsentieren. Als ein Beispiel sei die Arbeit „Die Wirkung von Psychopharmaka bei Gesunden“ von Albrecht Wienke u.a. genannt, doch sollte bei der Problematik der Studien gleichzeitig beachtet werden, dass diese häufig von Pharmaunternehmen in Auftrag gegeben werden, es also eher notwendig erscheint, Metastudien zu Rate zu ziehen. Wissenschaftliche Beitrage lassen sich dahingegen sowohl unter springerlink.de oder auch unter scholar.google.de zum Beispiel zu der Kategorie „Ritalin Konzentrationssteigerung“ zu finden. Anmerken möchte ich dazu allerdings noch, dass Artikel von Journalisten angesehener deutscher Zeitungen nicht in jedem Fall als unwissenschaftliche abgestempelt werden sollten, denn gehe ich davon aus, dass Nichtpsychologen eine kritische Auseinandersetzung mit einer psychologischen Studie nicht unbedingt leicht von der Hand geht. Ähnliches kann man allein an der Trierer Schulschachstudie erkennen, die als „der Beweis“ angesehen wird, obwohl selbst die Autorin diese in ihrer Zusammenfassung als nicht valide und reliabel ansieht, sondern die Ergebnisse aufgrund einer Faktoren, die hier nicht ausgeführt werden sollen, lediglich Vermutungen zulassen.
Weiterhin möchte ich die Probleme der Prohibited List 2010 in der englischen Sprache erleichtern, indem darauf verwiesen sei, dass diese hier (pdf) ebenfalls in deutscher Sprache zugänglich ist.
Gleichzeitig möchte ich jegliche Szenarien des „In-den-Becher-Pullerns“ von Bezirksklasse- bis Oberliga-Spielern ins Reich der Fiktion verbannen, denn beim Thema Doping sprechen wir von Leistungs- und von Freizeit- und Breitensport. Daher gebe ich euch Recht, dass es effizienter wäre, Kosten für Dopingproben in unseren Spielklassen einzusparen und ggf. auf den Einsatz von Schiedsrichtern umzuverteilen.
Gleichzeitig möchte ich mich dagegen verwahren, die Politik und den Deutschen Schachbund samt seinen Funktionären in einer Art und Weise anzugreifen, wie es in den letzten Tagen geschehen ist. Der angeblich deutschen Regelungswut findet häufig seinen Ursprung in der typisch deutschen Ausnutzung von Regelungslücken, wessen man sich bewusst wird, wenn man selbst als Funktionär tätig ist. Die Anti-Doping-Bestimmungen des Bundestages gehen nämlich nicht auf die Langeweile der Bundestagsabgeordneten, sondern vielmehr auf den öffentlichen Druck nach einer Vielzahl von Dopingfällen im deutschen und internationalen Sport zurück (denken wir nur an die vorletzten Olympischen Spiele oder die Tour de France der Jahre 2006 bis 2008). Zum anderen betreiben der DOSB, die Landessportbünde, der DSB und die DSJ eine umfangreiche Aufklärungsarbeit. So hätte zum Beispiel ein Blick auf die Homepage des DSB in den Bereich „Schach und Doping“ einige falsche Behauptungen des „Offenen Briefes“ vermeiden können. Zum einen wird dort ausgeführt, welche Veranstaltungen und Betreuer getestet werden können (mit dem expliziten Zusatz, dass alle weiteren Veranstaltungen von Dopingkontrollen ausgeschlossen sind, so auch die Landesliga von Mecklenburg-Vorpommern) und der Hinweis gegeben, dass es keine Trainingskontrollen im Schach geben wird (Status quo des Vertrages zwischen DSB und NADA, dessen zeitliche Gültigkeit zehn Jahre umfasst, wie es Niklas Rickmann ausgeführt hat). Präziser werden möchte ich zudem, was die Kosten für Dopingproben betrifft. Als Schiedsrichter auf der letzten DEM der Jugend in Willingen, habe ich die Information erhalten, dass die Kosten nicht pro Person, sondern pro Tag (in diesem Fall waren es sechs junge Frauen und Männer) angefallen und einen unteren dreistelligen Betrag ausgemacht haben. Alle weiteren Kosten, die eine solche Probe kostet, werden meines Wissens von der NADA getragen.
Als erstes Argument, dass für eine Anti-Doping-Ordnung des Landesschachverbandes Mecklenburg-Vorpommern spricht, möchte ich Regelungen nennen, die erforderlich sind, sollte der Fall eintreten, dass ein Spieler unseres Bundeslandes bei einer nationalen oder internationalen Meisterschaften – denn auch solche Schachsportler gibt es in unserem Bundesland – positiv getestet wird. Darf dieser Spieler am regulären Spielbetrieb teilnehmen, gilt eine mögliche Sperre generell oder nur für Qualifikationsturniere zu überregionalen Meisterschaften. Dies bedeutet, dass wir als Verband nicht umhinkommen, uns mit dem Thema Doping zu beschäftigen, sobald Dopingkontrollen auf nationaler Ebene durchgeführt werden.
Als zweites möchte ich noch einmal eine generelle Diskussion zum Thema Doping eingehen, denn natürlich spielt das Thema Finanzen bei dieser Angelegenheit eine Rolle, aber aus meiner Sicht bei weitem nicht die einzige. Als vielleicht eine der wenigen Personen im Landesschachverband halte ich die Diskussion über Doping im Schach nicht für völligen Mumpitz. Dies ist auch unabhängig davon, ob wir ein Dopingproblem im Schach haben, deren Gegenteil ich zwar annehme, es aber ebenfalls nicht durch entsprechende Studien belegen kann.
Dafür ist es allerdings notwendig festzuhalten, dass sich Doping nicht auf das Argument der Leistungssteigerung bezieht, denn dieses ist für den entsprechenden Einzelfall juristisch nicht nachweisbar (keiner weiß, ob Floyd Landis wegen seines um ein Vielfaches erhöhten Testosteronwertes vor einigen Jahren allen davon und sich ins Gelbe Trikot fuhr, oder aufgrund einer besonderen Energieleistung). Vielmehr geht es zum einen um die Möglichkeit der Leistungssteigerung, dazu aber auch um das Risiko gesundheitlicher Schädigungen und um gesellschaftliche Ächtung in Bezug auf Sport, von z. B. Drogen wie Marihuana. Nur wenn man alle diese drei Bereiche beachtet, kann man meiner Meinung nach der Diskussion um Doping gerecht werden. Aus diesem Grund lässt sich meiner Meinung nach ganz einfach nachvollziehen, warum es für alle Sportarten nur eine Prohibited List gibt, denn Anabolika ist sowohl für den Menschen, der Gewichtheber als auch für den, der Schachspieler ist, gesundheitsgefährdend. Gleiches gilt für Betablocker, Ritalin und viele weitere Mittel. Verhindert werden soll, dass Menschen Substanzen zu sich nehmen, die sie nicht benötigen und dies sollte weder auf der Ebene des Leistungs- und besonders nicht auf der Ebene des Freizeit- und Breitensports erlaubt sein – sowohl aus Gründen der sportlichen Fairness als auch der Gesundheit der jeweiligen Persönlichkeit. Wenn wir also dem Schachsport (eine Analogie entsteht übrigens, wenn man Schach als ein Spiel ansieht, denn auch dieses funktioniert nur, wenn sich alle an die Regeln halten) nachgehen wollen, kann Doping nicht toleriert werden, unabhängig davon, ob es Kontrollen gibt oder nicht. Dopingkontrollen finden meiner Meinung doch allein aus dem Grund statt, weil sich die Verlockung um ein Vielfaches erhöht, wenn es um nationale und internationale Titel sowie finanzielle Unterstützung in Sportfördergruppen bei der Bundeswehr oder auf Sportgymnasien geht. Sowohl im Spitzensport als auch auf Bezirksligaebene gibt es aber einen Sportethos, eine Moral der Fairness. So gilt für alle unsere Spielklassen, von der 1. Bundesliga bis in die Bezirksklasse, dass Ergebnisabsprachen verboten sind und das, obwohl es in den Ligen unseres Bundeslandes von keinem Schiedsrichter kontrolliert wird. Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter – verboten bleibt es trotzdem und wie man dies mit seiner Moral in Einklang bringt, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Anti-Doping-Bestreben sollten aus meiner Sicht nur in zweiter Instanz pekuniären Ãœberlegungen folgen, sondern vielmehr dem Bestreben nach einem sauberen und fairen Sport. Begreifen wir Schachspieler uns als Sportler, ist es unsere Pflicht und Schuldigkeit, die WADA, NADA, den DOSB und DSB zu unterstützen. Das hat nichts mit Prostitution zu tun, sondern mit Solidarität und der Einsicht, dass im Sport und damit auch im Schach nichts größer geschrieben werden darf, als Fairness.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Onasch

Losso 22. April 2010

Mir ging es nie darum, jemanden zu beleidigen, sondern darum, die Unterwerfung der Landesverbände zu beschreiben. Wenn sich jemand beleidigt gefühlt hat, bitte ich diesen jemand hiermit um Verzeihung.

Bezeichnend ist doch dies:
„Zum einen wird dort ausgeführt, welche Veranstaltungen und Betreuer getestet werden können (mit dem expliziten Zusatz, dass alle weiteren Veranstaltungen von Dopingkontrollen ausgeschlossen sind, so auch die Landesliga von Mecklenburg-Vorpommern) und der Hinweis gegeben, dass es keine Trainingskontrollen im Schach geben wird.“

Das heißt: Die Anti-Dopingordnung ist ein reiner Papiertiger, der in MV nicht zur Anwendung kommt, da nicht getestet werden wird. Dann ist aber die Frage, warum es dieser Ordnung überhaupt bedarf, um so lauter zu stellen, oder?

Ich habe gehört, dass es in MV ein Seilbahngesetz gibt, da von der EU vorgeschrieben. Ein Fall, der einige Parallelen aufweist.

Stefan 22. April 2010

Mit dem Unterschied, dass das Seilbahngesetz nicht massiv in die Persönlichkeitsrechte aller organisierten Schachspieler in Mecklenburg-Vorpommern eingreift…

Es geht ja nicht nur um Kontrollen, es geht darum, dass jeder mit bestimmten Krankheiten seinen Medikamentenschrank offenbaren muss.

Wir beginnen uns natürlich zu wiederholen, aber trotzdem:

@Paul:

1. Ich habe keine zweijährige Auszeit feststellen können. Du kannst ja mal durchschauen, was in den letzten zwei Jahren auf verschiedenen Schachblogs, in verschiedenen Schachforen und in den Schachzeitungen zu diesem Thema verfasst worden ist. Auf der LSV-Seite war es ziemlich ruhig, das stimmt. Vielleicht, weil man da (naturgemäß) als Leser nichts schreiben kann.

2. Wenn du mit psychologischen Beiträgen argumentierst, geht das leider an der Sache vorbei. Wir sprechen hier über Psychopharmakologie. Zeig mir eine Studie über die Auswirkungen von (laut Dopingordnung verbotenen) Psychopharmaka auf das Schach und dann kann man überlegen, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand von solchen Mitteln tatsächlich Gebrauch macht. Und dann kann man abwägen, ob der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte aller Schachspieler gerechtfertigt ist.

3. Glaubst du, ich hätte nicht auf die DSB-Seite geschaut? Der Bundesrechtsberater (oder jemand anderes aus der DSB-Spitze) hat neulich auf rank zero auch damit argumentiert, dass es „bis auf weiteres“ keine Dopingkontrollen außerhalb der genannten Fälle geben werde. Auf Nachfrage mehrerer Leser, wie er das garantieren könne, blieb er stumm. Und diesen Vertrag mit der NADA hat auch noch niemand gesehen. Du vielleicht? Unterliegt der der Geheimhaltung? Warum? Ich bin Jurist, wir sollen hier eine Dopingordnung aufgrund von Versprechungen verabschieden. Ich würde gern Fakten sehen.

4. Als ich recherchiert habe (im März), lag die deutsche Ãœbersetzung der NADA-Liste nicht vor. Oder ich habe sie nicht gefunden.

5. Du sprichst es ja deutlich aus, der Schachverband soll seinen Mitgliedern eine gesunde Lebensweise vorschreiben dürfen. Ich halte das für eine Anmaßung.

Paul Onasch 22. April 2010

Hallo Stefan,

zu einem Punkt möchte ich noch einmal den Ball zurückwerfen und die Frage stellen, ob denn eine Studie existiert, dass Psychopharmaka keine Wirksamkeit bei Schachspielern haben. Als Jurist benutzt man ja auch häufig Präzedenzfälle und Analogien, warum nicht auch in diesem Fall? Warum reicht es nicht aus, Studien vorzulegen, die aufzeigen, wie sich Psychopharmaka auf gesunde Menschen bei Konzentrations- und Denkprozessen auswirken? Wenden Schachspieler diese Prozesse nicht auch an?
Das es zudem keine Anmaßung ist, Menschen eine Dopingordnung „vorzuschreiben“ halte ich nicht für eine Anmaßung, denn diverse Dopingfälle zeigen, dass einige Menschen dies nicht tun, was neben der Gesundheit weiterhin die sportliche Fairness massiv beeinträchtigt. Ein bekannter Philosoph bezeichnete dies einmal als „homo homini lupus“. Dass eine solche Anti-Doping-Ordnung ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen darstellt steht außer Frage, doch müssen wir uns auch die Verhältnismäßigkeit anschauen.

Rank zero 22. April 2010

Nur um einmal ein Beispiel herauszugreifen, wie hier von Präsidiumsmitgliedern argumentiert wird – in den obigen Ausführungen des Präsidenten Niklas Rickmann liest man als Begründung:

Mit der Anti-Doping Ordnung geben wir einige Kompetenzen und Entscheidungsgewalten an den DSB ab. Diese Tatsache hat einen finanziellen Hintergrund. Dopingkontrollen bei Deutschen Meisterschaften müssen bezahlt werden. Ursprünglich hätte man die Kosten auf die einzelnen Verbände umgelegt. Jedoch haben sich der DSB und die Landesverbände geeinigt, dass alle Dopingkontrollen und ihre finanziellen Auswirkungen durch den DSB getragen werden. Auch Dopingverfahren und der Vollzug kosten Geld, was nur der DSB leisten kann.

In der gerade vom Präsidenten Niklas Rickmann zum Beschluss der Mitgliedeversammlung vorgelegten Anti-Doping-Ordnung liest man (Materialien z.B.auf der LSV-Seite):

11. Die Kosten von Dopingkontrollen trägt der Landesschachverband M-V.

Bezeichnungen wie „Sesselpuper“ sind hierfür völlig unangebracht. Man darf wohl ausschließen, dass hier Vergesslichkeit waltet.